Wolfgang Borchert

Wolfgang Borchert vor dem Krieg

1. Kindheit und Jugend

Borcherts Eltern, Fritz und Helga Borchert, stammen ursprünglich aus Mecklenburg. Sie heiraten im Mai 1914. Aufgrund eines Stellenangebots für Fritz Borchert in Hamburg ziehen sie um. Hertha Borchert kann sich zunächst nur schwer an die städtische Umgebung gewöhnen. Sie beginnt damit, plattdeutsche Geschichten und Gedichte über ihre Heimat zu schreiben, die sowohl in Zeitungen als auch im Rundfunk veröffentlicht werden und Anerkennung erhalten.

Der Autor Wolfgang Borchert wird am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Der deutsche Schriftsteller wächst als einziges Kind des Lehrers Fritz Borchert und der Schriftstellerin Hertha Borchert in Hamburg auf. Zu seiner Mutter hat Wolfgang Borchert ein sehr enges Verhältnis, während die Beziehung zu seinem Vater eher distanziert ist.

Er besucht in Hamburg die Grund- und Realschule. Im Alter von 15 Jahren beginnt Wolfgang Borchert, Gedichte zu schreiben. Teilweise soll er fünf bis zehn Gedichte an einem Tag verfasst haben. In einem Brief schreibt er, dass seine Texte wie in einem kurzen Rausch entstünden. Im Dezember 1937 besucht er eine Aufführung des Hamlet im Hamburger Thalia Theater. Dieses Erlebnis weckt in Borchert den Wunsch, Schauspieler zu werden.

2. Buchhändler und Schauspieler

1938 wird im Hamburger Anzeiger Wolfgang Borcherts erstes Gedicht publiziert, das "Reiterlied". Außerdem schreibt er im selben Jahr das Theaterstück "Yorick, der Narr!". Da Borchert sich nun ausschließlich seiner neu entdeckten Liebe zum Theater und zur Literatur widmet, lassen seine schulischen Leistungen stark nach.

Im Dezember 1938 verlässt Borchert die Schul. Seine Eltern drängen darauf, dass er im April 1939 eine Lehre als Buchhändler beginnt. Da ihn diese aber nicht ausfüllt, fängt er an, heimlich privaten Schauspielunterricht bei Helmuth Gmelin zu nehmen. Später erhält er die Zustimmung der Eltern und besteht 1940 die Schauspielprüfung.

Borchert trifft sich häufig mit Freunden zu literarischen Diskussionsabenden, an denen eigene Texte sowie verbotene – meist expressionistische Gedichte – vorgelesen werden. Im April 1940 wird Borchert von der Gestapo aufgrund einer Denunziation festgenommen und verhört. Ihm wird vorgeworfen, die Homosexualität in seinen Gedichten zu verherrlichen. Die Vorwürfe sollten sich aber als ein Lesefehler herausstellen[1]. Nach diesem Erlebnis ermahnen ihn Bekannte, mit politischen Äußerungen vorsichtig zu sein, zumal seine Eltern bereits von ihren Nachbarn angezeigt wurden, da sie sich deren Meinung nach nicht nationalsozialistisch genug verhalten würden.

Im Dezember 1940 bricht Borchert seine Buchhändlerlehre ab und widmet sich ganz der Schauspielerei. Von März bis Juni 1941 schauspielert er an der Landesbühne Osthannover. Im Juni 1941 beendet die Kriegseinberufung Borcherts die "schönste Zeit seines Lebens", wie er selbst feststellt.

Wolfgang Borchert im Zweiten Weltkrieg

Wolfgang Borchert absolviert von Juli bis November 1941 seine Grundausbildung bei der 3. Panzer-Nachrichten-Ersatz-Abteilung 81. Er leidet unter dem militärischen Drill und den Erniedrigungen während seiner Ausbildung. Im November erlebt er seinen ersten Fronteinsatz in Moskau. Seine dortigen Erfahrungen verarbeitet er später in einigen Kurzgeschichten. Während seines Einsatzes verletzt sich Borchert an seiner linken Hand, sodass sein linker Mittelfinger amputiert werden muss. Er gibt an, dass sich während eines Handgemenges ein Schuss aus seiner eigenen Waffe gelöst habe. Der Feldwebel wirft ihm vor, sich mit Absicht verletzt zu haben, um dem Dienst an der Front zu entkommen.

In dem Lazarett, in das er verlegt wird, steckt Borchert sich mit Diphtherie und Gelbsucht an und wird in das Heimatlazarett in Schwabach verlegt. Kaum genesen, wird er wegen des Verdachts auf Selbstverstümmelung verhaftet und verbringt 3 Monate in Haft. Im August 1942 findet die Gerichtsverhandlung statt. Die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe, doch das Gericht hält die Darstellungen Borcherts für glaubwürdig. Nach dreimonatiger Einzelhaft wird er aufgrund seiner kritischen Äußerungen über das Dritte Reich in einem zweiten Verfahren zu verschärftem Arrest mit anschließender Frontbewährung wegen Heimtücke verurteilt. Diese Erfahrungen verarbeitet er später in dem Werk „Die Hundeblume“ (1946).

Am 8. Oktober 1942 wird Wolfgang Borchert aus der Haft entlassen. Ende des Jahres muss er wieder an die Front nach Russland und wird dort als Melder ohne Waffe eingesetzt. Er erleidet Erfrierungen zweiten Grades an den Füßen sowie Fleckfieber und Gelbsucht. Somit wird er wieder in ein Lazarett verlegt. Diesen Aufenthalt beschreibt er in der Erzählung „An diesem Dienstag“ (1947).

In einem längeren Sommerurlaub besucht Borchert seine Heimatstadt Hamburg. Zu diesem Zeitpunkt ist die Stadt bereits zur Hälfte zerstört. Während seines Urlaubs tritt er im Rahmen eines Kabaretts im Bronzekeller auf. Im Oktober 1943 kehrt Borchert zurück an die Front, doch er erleidet erneut Fieberanfälle und Leberbeschwerden und wird wegen Dienstuntauglichkeit aus der Wehrmacht entlassen. Einen Abend vor seiner Entlassung gibt er eine Abschiedsvorstellung, in der er Goebbels parodiert. Dies wird angezeigt. Aufgrund seiner Vorstrafen befürchtet er eine harte Strafe und ist bemüht, Zeugen zu sammeln, die für ihn aussagen.

Anfang 1944 wird Borchert in das Untersuchungsgefängnis überführt. Hier verbleibt er neun Monate, bevor der abschließende Prozess beginnt. Die Haftbedingungen in dem Gefängnis sind sehr schlecht. Während der Bombardements müssen die Gefangenen in ihren Zellen bleiben. Am 4. September 1944 wird der Prozess eröffnet. Borchert erreicht, dass er keine zusätzliche Strafe absitzen muss, da ihm die positiven Zeugenaussagen zugutekommen. Außerdem spricht die Tatsache, dass er das Panzerkampfabzeichen sowie die Ostmedaille erhalten hat, für ihn. Die Strafe wird gegen Feindbewährung ausgesetzt, dies bedeutet, dass Borchert erneut an die Front geschickt wird.

Dieser Frontbewährung muss sich Wolfgang Borchert jedoch nicht mehr aussetzen: Als seine Kompanie Anfang des Jahres 1945 eingesetzt werden soll, flüchten bereits die Offiziere. Der Trupp, mit dem Borchert unterwegs ist, lässt sich in Frankfurt von Franzosen gefangen nehmen. Aus dieser Gefangenschaft kann sich Borchert während des Transports befreien. Er erholt sich kurz auf dem Gut Wöbbel nahe Steinheim, wo er eine große Gastfreundlichkeit erfährt, und macht sich dann zu Fuß auf den beschwerlichen Weg nach Hamburg. Am 10. Mai 1945 erreicht er unter großen Qualen Hamburg.

Wolfgang Borchert nach dem Krieg

In dem zerstörten Hamburg unternimmt Borchert einige Versuche, ein Theater aufzubauen. Er gründet "Die Komödie", ein Hinterhoftheater und tritt dort als Kabarettist auf. Doch Ende des Jahres erkrankt Borchert erneut schwer und er bleibt ans Bett gefesselt.

Die Ärzte können die Krankheit nicht diagnostizieren oder heilen. In dieser Zeit beginnt Borcherts fast hektische Schaffensperiode als Autor. In den fieberfreien Stunden verfasst er den Gedichtband "Laterne, Nacht und Sterne", die Erzählung "Die Hundeblume" und ungefähr 20 weitere Kurzgeschichten. Zu Ostern 1946 wird er aus dem Krankenhaus entlassen. Borchert glaubt zu diesem Zeitpunkt noch an eine Genesung. Die Ärzte haben seinen Eltern jedoch bereits die hoffnungslose Prognose mitgeteilt.

Im Spätherbst 1946 schreibt Borchert in nur acht Tagen das Drama „Draußen vor der Tür“. Dieses Werk wird am 13. Februar 1947 erstmalig als Hörspiel im Rundfunk gesendet. Dadurch wird Borchert schlagartig bekannt.

Die Freunde von Borchert ermöglichen dem Todkranken einen Klinikaufenthalt in Basel, doch auch dort kann ihm nicht mehr geholfen werden. Wolfang Borchert stirbt am 20. November 1947 im Alter von nur 26 Jahren – und zwar einen Tag, bevor sein Stück „Draußen vor der Tür“ in Hamburg uraufgeführt wird.


[1] Borchert hatte einer Kollegin aus dem Buchhandel ein Gedicht über Knabenliebe vorgelesen. Er hatte auch in einem Brief eine „Rielke-Liebe“ erwähnt.  Das „e“ war aber falsch von dem Gestapo interpretiert worden. In Wirklichkeit wollte Borchert den Dichter Rainer-Maria Rilke erwähnen.

 

20. Mai 1921Wolfgang Borchert wird am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Er wächst als einziges Kind des Lehrers Fritz Borchert und der Schriftstellerin Hertha Borchert in Hamburg auf.
Ab 1936Er verfasst seine ersten Gedichte.
Ab 1938Veröffentlichung der ersten Gedichte in dem Hamburger Anzeiger
1938Schulabschluss
1939Er beginnt eine Lehre als Buchhändler und erhält nebenher heimlich privaten Schauspielunterricht.
1940Er besteht 1940 die Schauspielprüfung  und gibt im Dezember die Buchhändlerlehre auf.
März-Juni 1941Schauspieler an dem Wandertheater der "Landesbühne Osthannover"
Juni- Dezember 1941Er wird im Juni zum Militärdienst eingezogen und im November als Panzergrenadier an die Ostfront geschickt.
1942 

Er wird im Januar verwundet und erkrankt an Diphtherie und Gelbsucht. Im Mai wird er angeklagt, sich eine Handverletzung selbst beigebracht zu haben. Er wird freigesprochen, muss aber drei Monate in Untersuchungshaft in Nürnberg verbringen. Er wird dann wegen Äußerungen "gegen Staat und Partei" zu vier Monaten Gefängis verurteilt. Der Urteil wird auf Borcherts Antrag hin in sechs Wochen verschärften Arrest mit anschließender Frontbewährung umgewandelt.
Im November ist er wieder an der Front in Russland (Melder ohne Waffe).

Im Dezember wird er wegen Erfrierungen im Lazarett gebracht.

1943

Im März wird er ins Heimatlazarett im Harz verlegt. Im Juli ist er wieder beim Ersatzbataillon in Jena. Im August macht Borchert Urlaub in Hamburg. Er tritt als Kabarettist auf,

Im Oktober kehrt er zur Kompanie zurück. Er soll wegen Dienstunfähigkeit (Fieberanfälle und Leberbeschwerden) zu einem Fronttheater abgestellt werden. Aufgrund einer Denunziation wird er im Dezember einen Tag vor seiner Entlassung wegen einer Parodie auf Goebbels inhaftiert.

1944Er wird im Januar in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit überführt und muss dort neun Monate auf seinen Prozess warten.Im September wird er wegen Wehrkraftzersetzung zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, jedoch schon bald wieder "zur Feindbewährung" an die Front geschickt.
1945

Im Frühjahr 1945 wird Borchert bei der Kapitulation seiner Truppe in Frankfurt durch die Franzosen gefangen genommen. Während des Abtransports kann er fliehen. Schwerkrank marschiert er zu Fuß sechshundert Kilometer bis zu seiner Heimatstadt Hamburg. Im Mai findet er völlig entkräftet Unterschlupf bei seinen Eltern.

Im September versucht er, als Schauspieler aufzutreten und begründet das Zimmertheater „ Die Komödie“ mit.  Er nimmt seine schriftstellerische Tätigkeit wieder auf. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich schnell und er muss das Ende das Jahres im Krankenhaus verbringen: Seine Leber ist durch Ernährungsschäden außer Funktion gesetzt.

1946Anfang 1946 wird er ins Hamburger Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert. Ostern 1946 wird er aus dem Krankenhaus entlassen, aber er ist unheilbar krank. Er schreibt 24 Prosatexte, unter anderen "Die Hundeblume".
1947

Im Januar verfasst er innerhalb von acht Tagen das Schauspiel „Draußen vor der Tür“, das im Februar als Hörspiel im Radio gesendet wird. Im April wird der Prosaband "Die Hundeblume" veröffentlicht. Bis zum September schreibt er 22 Erzählungen, selbst als sich sein Gesundheitszustand bzw. seine Krankheit verschlechtert.

Freunden Borcherts gelingt es, ihm einen Kuraufenthalt in der Schweiz zu vermitteln. Im September wird er im Liegewagen als Todkranker in die Schweiz gebracht.

Im Oktober verfasst er das Antikriegsmanifest "Dann gibt es nur eins!". Wolfgang Borchert stirbt am 20. November im Alter von nur 26 Jahren im Clara-Spital in Basel.

Am 21. November 1947, nur 22 Stunden nach seinem Tod, wird „Draußen vor der Tür“ in Hamburg uraufgeführt.

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