Natur und Stadt

Die Laubenkolonie

Edgar quartiert sich in Berlin in einer alten Gartenlaube ein, die in einer Kolonie liegt, welche bald abgerissen und neu bebaut werden soll (vgl. S. 25). Er befindet sich dadurch in einer ziemlichen Abgeschiedenheit, die innerhalb dieses Romans einer „Naturumgebung“ am nächsten kommt.

Eines von Edgars Lieblingsbüchern ist „Robinson Crusoe“ (S. 33). In dieser Geschichte geht es um einen Schiffbrüchigen, der die Einsamkeit und Abgeschiedenheit von der Gesellschaft kennenlernt. Edgars Laube soll insofern vielleicht eine Art „einsame Insel“ innerhalb der Großstadt verkörpern (auch wenn dort hin und wieder Menschen auftauchen).

Edgar will es schaffen, ohne die Familie, die Schule und den geregelten Alltag in Mittenberg zu überleben. Er will seinen eigenen Weg finden und gehen. Die Abgeschiedenheit und „Natur“, welche er als Wohnumgebung wählt, passen zu diesem Entschluss: Hier befindet er sich fernab von der Gesellschaft und ist daher nicht ihren Normen unterworfen. Hier lernt er auch Charlie kennen, deren Kindergartengruppe manchmal zum Spielen in die leerstehende Kolonie kommt.

Charlie beschreibt ihr erstes Treffen mit Edgar wie folgt: „Plötzlich sah ich da einen Menschen aus der Laube kommen, einen Kerl, ungekämmt und völlig vergammelt“ (S. 46). Sie beschreibt Edgar als einen Menschen, der von der Gesellschaft abgeschieden lebt, und als einen ungepflegten Außenseiter. Dass Edgar Charlie in der einsamen Gartenlaube kennenlernt und sie ihn später auch dort besucht, deutet an, dass eine eventuelle Beziehung zwischen den beiden „außerhalb der Gesellschaft“ oder zumindest ohne Rücksicht auf deren Konventionen stattfinden müsste. Mit der Entfernung von der Stadt, also der zivilisierten Gesellschaft, entfernt Edgar sich auch in der Laube von den Moralvorstellungen der Menschen um ihn herum.

Es leuchtet ein, dass Edgars Lebensraum der Abgeschiedenheit gegen Ende bedroht wird. Beinahe wird die Laube zu der Zeit abgerissen, in der Edgar darin schläft (vgl. S. 137) – die Natur (hier durch die Laube repräsentiert) wird sozusagen durch die Technik bedroht. Im übertragenen Sinne holt also die Gesellschaft Edgar wieder ein. Gleichzeitig, während seine Mutter sich auf den Weg macht, ihn nach Mittelberg zu holen (vgl. S. 140), ist Edgar nun eine Frist von wenigen Tagen eingeräumt worden, bevor sein Unterschlupf mithilfe eines Bulldozers abgerissen werden soll (vgl. S. 139). So soll er wieder seine „Insel“ verlassen. Vorher möchte er beweisen, dass er etwas Besonderes schaffen kann.

Stadt voller Leben

Besonders viel über Ostberlin wird in „Die neuen Leiden des jungen W.“ nicht erzählt. Am deutlichsten wird die Stadt beschrieben, als Edgar und Charlie eine Bootstour auf der Spree machen. Hier fällt Edgar auf, „daß man eine Stadt auch von hinten sehen kann“ (S. 132), vom Wasser aus. Edgar bes...

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