Kritik an der DDR
Unterschwellige Kritik
Edgars Äußerungen in „Die neuen Leiden des jungen W.“ sind selten politisch ausgerichtet. Trotzdem findet sich in Plenzdorfs Roman eine Menge Kritik an der DDR-Gesellschaft (und damit indirekt auch an der Politik) – jedoch ist diese eher unterschwellig angesiedelt.
Edgar merkt manchmal nur Kleinigkeiten an, die sich aber als sehr aufschlussreich erweisen. Z. B. konnte sich Edgar in der Schule einiges erlauben, denn: „Kein Aas von Lehrer traute sich doch, mir eine Fünf oder was zu geben“ (S. 16). Kurz davor wurde davon berichtet, dass Edgar der Sohn der Berufsschulleiterin ist. Es ist zu vermuten, dass die Lehrerschaft unter Druck steht und dass die Kritik am Sohn der Leiterin zu Schwierigkeiten führen kann. Edgar scheint davon persönlich zu profitieren, indem er sehr gute Noten erhält.
Edgar benutzt die folgenden Auszüge aus „Die Leiden des jungen Werther“ dazu, um Willi davon zu berichten, dass er aufgehört hat, auf dem Bau zu arbeiten: „Und daran seid ihr alle schuld, die ihr mich in das Joch geschwatzt und mir so viel von Aktivität vorgesungen habt. Aktivität! …Ich habe meine Entlassung…verlangt…Bringe das meiner Mutter bei einem Säftchen bei“ (S. 101). Für Willi und Edgars Mutter sollte das problematisch klingen, denn sie haben versucht, Edgar einzureden, dass er arbeiten sollte („von Aktivität vorgesungen“ (ebd.)).
Das Zitat ist in Bezug auf die DDR sehr treffend. Die „Aktivität“ wurde nämlich auch im Blick auf die DDR-Jugend als ein wichtiges Ziel eingestuft: Die Freizeit sollte „sinnvoll“ gestaltet werden (siehe Epoche: Zeitgeschichtlicher Hintergrund). Die Jugendlichen sollten Sport treiben oder sich engagieren und nicht „rumhängen“. Bei Edgar trifft dies sicherlich einen empfindlichen Nerv, denn alles, was vorgeschrieben ist, ist ihm zutiefst zuwider.
An anderer Stelle merkt Edgar an, dass er sich mit einer Filmfigur sehr identifiziert hätte. Es handelt sich ...