Rezension
Der Jugendroman „Der gelbe Vogel“ von Myron Levoy erschien im Jahre 1977. Die Handlung spielt in den 1940er Jahren in Queens, New York. Der zwölfjährige Alan hilft dem jüdischen Flüchtlingsmädchen Naomi, das von allen Kindern nur als „die Verrückte“ bezeichnet wird, ihr Kriegstrauma zu überwinden. Alan und Naomi bauen eine enge Freundschaft zueinander auf und Naomis Zustand verbessert sich. Doch dann passiert etwas Furchtbares und Naomi fällt zurück in ihr Trauma.
In „Der gelbe Vogel“ geht es um Freundschaft und Liebe. Es geht um einen Jungen, der es schafft, zu sich selbst zu finden, indem er einem Mädchen dabei hilft, wieder es selbst zu werden. Die Handlung dreht sich auch darum, welch schreckliche Konsequenzen der Antisemitismus haben kann und wie schwierig es ist, psychische Schäden zu heilen.
Levoy hat einen interessanten und einfühlsamen Roman geschrieben. Die Sprache ist leicht verständlich und die Geschichte ist spannend. Der Leser wird aber nicht geschont: Was in „Der gelbe Vogel“ passiert, ist teilweise sehr traurig. Der Roman ist realistisch, denn er verdeutlicht die wirklichen und furchtbaren Konsequenzen, die aus Hass und Krieg resultieren können.
Das Schicksal der liebenswerten Naomi Kirschenbaum berührt den Leser. Ihre Entwicklung wird sensibel und langsam beschrieben. Der Leser lernt sie, genau wie Alan, im Laufe der Handlung immer mehr kennen und lieben. Auch Shaun, Alans bester Kumpel, ist eine tolle Romanfigur: Durch sein freches Selbstbewusstsein und seinen groben Witz sorgt er für frischen Wind in den Dialogen.
Alan ist eine glaubwürdige Hauptfigur. Er wirkt sehr natürlich, wie ein richtiger Junge im Alter von 12 Jahren. Er ist sehr klug und schafft es, das Vertrauen von Naomi mithilfe eines Rollenspiels von zwei Handpuppen, Charlie und Yvette, zu gewinnen. Er ist kein Held im klassischen Sinne, sondern ein Junge, der mit Gruppenzwang und Selbstzweifeln zu kämpfen hat. Leider muss Alan lernen, dass er zwar für Naomi zum Helden werden kann, aber auch, dass die Realität durch Zufälle sehr hart und schonungslos sein kann, wenn die Vergangenheit die Gegenwart wieder einholt.
„Der gelbe Vogel“ ist ein emotional packender und absolut lesenswerter Jugendroman, der wichtige Botschaften für Jung und Alt enthält: Über die Wichtigkeit der Freundschaft, über das Glück, nützlich zu sein und über das große Unglück, welches durch blinde und beschämende Diskriminierung entstehen kann.