Symbolismus

Vision und Subjektivität als Alternative zu Vernunft und Wirklichkeit

Der Begriff „Symbol“ geht auf das griechische Nomen sýmbolon, welches übersetzt Erkennungszeichen oder Merkmal bedeutet, sowie das dazugehörige Verb symbállein, das zusammenbringen oder vergleichen heißt, zurück.

Ein Symbol ist ein bildhaftes Zeichen mit einer allgemeingültigen Aussagekraft. Als Sinnbild oder Bedeutungsträger transportiert es in einer stellvertretenden Form den tieferen Sinn eines Gegenstands, Vorgangs oder Motivs. So stehen zum Beispiel das Kreuz für das Christentum, der Ring für die Treue, die weiße Taube für den Frieden, der Totenkopf für den Tod und das Wasser für das Leben.

Der Symbolismus bezeichnet eine Kunstströmung und literarische Richtung, die ihren Ursprung im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts hat. Den Begriff „Symbolismus“ prägt der französische Dichter Jean Moréas in seinem gleichnamigen symbolistischen Manifest, das er 1886 in der Zeitung Figaro veröffentlicht. Er verkündet darin die Abneigung der französischen Symbolisten gegenüber klarem Sinn, falscher Sentimentalität und Sachlichkeit.

Vielmehr wollten die französischen Anhänger dieser Kunstbewegung, wie Stéphane Mallarmé, Charles Baudelaire und Arthur Rimbaud, eine Welt der Schönheit erschaffen. Ihre Motive sind von Beginn an vielfältiger Natur und umfassen die Traumwelt, die Mythologie, die Bibel, das Mystische, die Erotik sowie die Emotionalität des Menschen. Am Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet sich die Strömung in ganz Europa.

Der Symbolismus ist folglich als Gegenbewegung zum Realismus und Naturalismus zu verstehen. Die Symbolisten wollten die Welt nicht sachlich und deutlich wiedergeben, sondern eine symbolische und spirituelle Vision dieser Welt kreieren. Ihre Werke sollen die gesellschaftlichen Umwälzungen im 19. Jahrhundert, welche unter anderem mit der Industrialisierung einhergehen, kontrastieren.

Durch die Verwendung einer symbolhaften, bildlichen und musikalischen Sprache verfremden die Dichter das Gewöhnliche in einem neuen rätselhaften Zusammenhang. Auf diese Weise entstehen in ihren Werken eine Verbindung zwischen ihren Emotionen und der Wirklichkeit.

Die bevorzugte Gattung der Symbolisten ist die Lyrik. Diese ermöglicht es den Dichtern, durch das Einbinden der Symbolik ihre Emotionen und Gedanken darzustellen. Auf diese Weise können sie zum Ausdruck bringen, dass hinter der realen, immer nüchterner und sachlicher werdenden Welt eine weitere subjektive Welt verborgen liegt. Die Schlüssel, um diese Welt zu erreichen, sind die Symbole, die der Leser erst enträtseln muss. Auf diese Weise involviert sich der Rezipient jedoch in die Lyrik mit ein, denn die Interpretation erfordert das Einbringen eigener Gefühle und Gedanken.

Ziel und Form

Anhand der Symbole als zentrales Stilmittel bemühen sich die Dichter, die Welt zu ästhetisieren, indem sie dem Wesen der Dinge auf den Grund gehen. Ihr Ziel ist in erster Linie auf eine Erneuerung der Lyrik, ihr Bestreben auf die „poésie pure“ – eine autonome, formvollendete und schöne Dichtersprache – ausgerichtet. Diese steht im strengen Gegensatz zu der „poésie engagée“, welche politische oder soziale Ziele verfolgt. Damit lehnen die Vertreter des Symbolismus die naturalistischen Darstellungen des Hässlichen sowie die zweckgebende Bindung an Belehrung oder Moral ab. Durch die elitäre Kunstform beschreiben die symbolistischen Dichter ihre eigene Kunstwelt, die jedoch enge Bezüge zu der realen Welt aufweist. 

Die Symbolisten experimentieren mit freien Versen, der Musikalität der Sprache, welche durch den Einsatz von Rhythmus und Metrum hervorgerufen wird, mit Wortneuschöpfungen sowie mit der Farb- und Lautsymbolik, die anhand von Synästhesien und Lautmalereien ihren Weg in die Dichtung findet. Ihre Gedichte enthalten zahlreiche Bilder und Assoziationen, die in Form von Metaphern, Vergleichen oder Allegorien transportiert werden. Die Symbolhaftigkeit der Sprache gewinnt durch den Kontext neue Kraft, führt zu Mehrdeutigkeit und macht den Leser zu einem aktiven Part der Lyrik, da dieser die Gedichte interpretieren muss und somit die eigenen Ideen, Gedanken und Gefühle in die Gedichte hineinlegen kann.

Symbolismus in Deutschland

In Deutschland wird dem Symbolismus nie derselbe Stellenwert beigemessen wie in Frankreich. Stefan George ist einer seiner bedeutendsten deutschen Vertreter. Er hat die Gedichte der französischen Symbolisten übersetzt und die Zeitschrift Blätter für die Kunst gegründet, die das Prinzip der „l’art pour l’art“, die Kunst um der Kunst Willen, vertritt und für einen elitären Leserkreis konzipiert worden ist. Die beiden anderen wichtigsten Vertreter des deutschen Symbolismus sind Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke.

Rilkes Symbolismus beruht auf genauer Beobachtung und Erfahrung, die es möglich machen, den Gegenstand der Lyrik in seinem Wesen zu erfassen und zu ergründen. Das Spannungsverhältnis zwischen Innerem und Äußerem, Subjekt und Objekt, Imagination und Gegenstandstreue prägt seine symbolistischen Gedichte, die als „Dinggedichte“ bezeichnet werden. Im Zentrum dieser Lyrikform stehen lebendige oder leblose Objekte sowie Situationen, die mit einer gewissen Distanz und Objektivität dargestellt werden. Das Subjektive in Form eines Lyrischen Ichs tritt dagegen in den Hintergrund. Das auf diese Weise beschriebene Äußere soll auch das Innere des „Dings“ offenlegen.

Wichtige Werke

Der Panther