Mondnacht
Einleitung, Aufbau, Reimschema und Titel
Joseph Carl Benedikt Freiherr von Eichendorff ist im Jahre 1788 auf Schloss Lubowitz, dem Wohnsitz seiner adligen Familie, geboren worden. Schon in der frühen Jugend weckten das prächtige oberschlesische Hügelland und die idyllischen Landschaften bei ihm eine innige Naturliebe.
Der Autor verfasste sein berühmtes romantisches Gedicht „Mondnacht“ vermutlich 1835, als er siebenundvierzig Jahre alt ist. Das Gedicht wurde ein paar Jahre später in der ersten Gedichtsammlung des Dichters im Jahr 1837 veröffentlicht. Es gehört zu der Gattung der Naturlyrik und vereint in sich typische Elemente der Romantik, wie Naturdarstellung und Nachtmotivik.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen zu je vier Verszeilen. Jede Strophe bildet dabei einen abgeschlossenen Satz, und zwar in Form eines Satzgefüges oder einer Satzreihe, und zeichnet ein eigenständiges Bild. Das Metrum ist ein dreihebiger Jambus, die Kadenzen variieren gleichmäßig, beginnend mit einer weiblichen klingenden Kadenz in der ersten Verszeile der ersten Strophe.
Das Gedicht lässt sich in einen Rahmen aus zwei Außenstrophen und eine Binnenstrophe unterteilen, welche eine zentrale Achse zwischen den Außenstrophen bildet. Die Unterscheidung der Strophen legt bereits deren formaler Aufbau nahe. Während die Binnenstrophe als eine Reihung von parataktischen gleichrangigen Nebensätzen auftritt, weisen die Außenstrophen eine hypotaktische[1] Satzstruktur auf.
Das ganze Gedicht steht im Präteritum. In der sprachlichen Formulierung weicht der verträumte Konjunktiv der Außenstrophen einem realistischen Indikativ der Binnenstrophe. Ebenso sind den Außenstrophen die Enjambements zwischen Verszeilen eins und zwei sowie drei und vier gemein, während die Binnenstrophe keinerlei Zeilensprünge enthält. Auf die Einteilung des Gedichts wird in der Analyse noch näher eingegangen.
Das Reimschema des Gedichts ist abab cdcd efef. Es handelt sich folglich um drei Kreuzreime. Der Reim a ist unrein; die Reime b, d und f sind reich; die Reime c und e rührend.
Der Titel „Mondnacht“ steht in Bezug zu der im Gedicht geschilderten sternklaren Sommernacht. So hat der Leser gleich in der ersten Strophe ohne die spezifizierende Erwähnung der Nacht in den Verszeilen die Vorstellung eines am Himmel hell leuchtenden Mondes vor Augen, welcher den Blütenschimmer klar erscheinen lässt und die Atmosphäre für die Begegnung von Himmel und Erde vorgibt.
Erste Strophe
Die erste Strophe beschreibt die subjektive Vorstellung des Lyrischen Ichs. Der Himmel erscheint personifiziert: Er hat die Erde still geküsst, sodass diese nun von ihm träumen muss. Die Formulierung im Konjunktiv sowie die Verwendung der „als ob“ –Konstruktion suggerieren einen Traum, einen irrealen Vorgang, welcher von dem Lyrischen Ich im schwachen Mondlicht beobachtet wird. Die Enjambements zwischen dem ersten und zweiten sowie dem dritten und vierten Vers sorgen für einen engen Zusammenschluss des Haupt- und Nebensatzes innerhalb der Strophe. Die Alliterationen „hätt“-„Himmel“ und „Die Erde“ – „Daß sie“ prägen den Klang der Strophe.
Die verträumte Wahrnehmung des Lyrischen Ichs, der Himmel würde sich zu der Erde hinabbeugen und diese küssen, kann durch ein einfaches natürliches Lichtphänomen erklärt werden: Der Mond am Himmel wirft sein Licht auf die Blüten der Erde, welche es reflektieren. Doch in der magischen nächtlichen Atmosphäre unter dem Licht des Vollmondes ergänzt der Zauber das realistische Naturbild und so kommt ein Traum zustande, der den Beobachter erfasst und einnimmt. Das Lyrische Ich verfällt in ein Fantasiebild, welches zum Ausdruck seines inneren Begehrens nach Entgrenzung und Befreiung wird.
Diese Grundstimmung bildet die Voraussetzung für die von dem Sprecher vorgetragene träumerische Darstellung der Geschehnisse und seine Beschreibung des surrealen Eindrucks, es hätten sich der Himmel und die Erde in einem Brautkuss miteinander vereint. In dieser erotischen Metapher spielen die Geschlecht zuweisenden Artikel „der Himmel“ und „die Erde“ eine besondere Rolle. In dies...