Abschied
Einleitung
Joseph von Eichendorffs Gedicht „Abschied“ ist 1810 verfasst worden und wird jedoch erst 1841, also mehr als dreißig Jahre später, in die Gedichtsammlung „Wanderlieder“ aufgenommen. Es ist eines der knapp zwanzig Gedichte, die der Dichter zwischen 1808 und 1813 geschrieben hat. Der Untertitel „Im Walde B. Lubowitz“ verweist auf den Ort Lubowitz, welcher nördlich von Ratibor auf dem Höhenrand des linken Oderufers liegt.
Es ist ein Gebiet, dem sich der Dichter stark verbunden fühlt. Er wird am 10. März 1788 in Schloss Lubowitz geboren. In dem schlesischen Herrenhaus mit einer kleinen Parkanlage und einem Teich verbringt er danach seine Kindheit. Er wird von einem Hauserzieher unterrichtet und genießt eine freie Erziehung bei seinen Eltern, die einem alten schlesischen Geschlecht angehören. Viel Zeit verbringt er in seiner unbeschwerten Jugend im Park des Schlosses und lernt so, die Natur zu schätzen.
Erst 1801 zieht der Elfjährige mit seinem Bruder und seiner Mutter nach Breslau, um dort das katholische Matthias-Gymnasium zu besuchen. 1804 beginnt der junge Adlige gemeinsam mit seinem Bruder ein Jura- Studium in Halle. Drei Jahre später setzen beide Brüder ihr Studium in Heidelberg fort. In dieser Lebensphase bildet das Schloss Lubowitz für sie immer einen festen und sicheren Ankerpunkt. Dort verbringen sie regelmäßig zwei Wochen Winterferien und zwei Monate Sommerferien.
Es war damals nicht üblich, dass Adlige ihr Studium mit einer Prüfung abschlossen. Doch die Brüder Eichendorff streben eine Stellung im österreichischen Staatsdienst an, um sich selbst eine zukünftige Einnahmequelle zu sichern, und müssen daher ihr Examen bestehen. Bevor er im November 1810 mit seinem Bruder nach Wien reist, um sein juristisches Studium zu beenden, verfasst Joseph von Eichendorff das Gedicht „Abschied“. Er thematisiert darin seinen bevorstehenden Umzug in die Großstadt.
Aufbau, Reimschema und Metrum
Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu je acht Versen. Die beiden ersten Strophen schildern Wald und Natur. Die dritte Strophe kündigt einen baldigen Abschied an, der in der vierten Strophe weiter präzisiert wird. Das Tempus variiert innerhalb der Strophen: Die beiden ersten Strophen sind im Präsens verfasst, in der dritten Strophe finden sich sowohl das Präsens als auch das Präteritum und Perfekt als Zeitformen wieder, die vierte Strophe steht im Futur.
Jede der vier Strophen wird aus zwei Kreuzreimen gebildet. Das Reimschema jeder Strophe lautet damit: ababcdcd. Das Metrum ist ein durchgängiger dreihebiger Jambus mit variierenden Kadenzen (mwmwmwmw).
Die sechssilbigen Verse weisen eine männliche, die siebensilbigen Verse eine weibliche Kadenz auf. Damit ähnelt die Strophenform der doppelten Volksliedstrophe, auch Hildebrandston genannt. Die gleichmäßige und einfache Metrik unterstreicht den Volksliedcharakter sowie die Singbarkeit des Gedichts. Der dreihebige Jambus verstärkt die Emotionalität des Lyrischen Ichs und im Besonderen die Euphorie, die der Sprecher der Natur des Waldes entgegenbringt.
Erste Strophe
In den ersten beiden Versen spricht das Lyrische Ich den Wald und die Berglandschaft in Form von lobpreisenden Apostrophen direkt an: „O Täler weit, o Höhen/O schöner, grüner Wald“. Die Anapher betont von Anfang an die tiefe Verbundenheit des Sprechers mit seiner Umgebung. Ebenfalls drückt die Anrede: „Täler weit“ (V. 1) das Freiheitsgefühl aus, welches der Sprecher mit dem Wald in Verbindung bringt. Bereits in den ersten beiden Versen ist ein klarer Naturbezug erkennbar, der ein typisches Motiv der romantischen Dichtung ist. Der Ausdruck „grüner Wald“ (V. 2) indiziert, dass die Szene sich im Frühling oder Sommer abspielt.
Die Antithesen „O Täler weit, o Höhen“ (V. 1) sowie ...