Interpretation

In der Interpretation werden die wichtigen Elemente der Erzählung detailliert betrachtet und erläutert.

Dazu zählt die Analyse der Darstellung des Judentums, der Identität der Gläubigen sowie der zentralen Glaubensfrage, die im Zentrum der Erzählung steht.

Der Aspekt „Emigration und Assimilation“ stellt anschaulich dar, wie sich die jüdische Familie Singer in Amerika völlig neu orientieren muss und in welchen Zusammenhang ihr Schicksal mit dem Lebensweg Roths gebracht werden kann.

Darüber hinaus wird die Frage behandelt, ob der Hiob-Stoff und damit auch die Umsetzung Roths als Bild für den Exodus des jüdischen Volkes verwendet werden kann.

Untrennbar verbunden mit dem Stoff ist auch die Frage nach dem Leid und der Gerechtigkeit, die in der Analyse mit der Bedeutung der Hiobsbotschaft verknüpft wird.

Der Sabbat

Das Judentum ist ein sehr präsentes Element in dem Roman „Hiob“, da die jüdische Familie Singer im Zentrum des Werkes steht. Es lassen sich aus dem Text viele Elemente der jüdischen Kultur herauskristallisieren, die einen wichtigen Teil der religiösen Identität repräsentieren.

Da die Singers eine jüdische Familie sind, feiern sie jede Woche den Sabbat, der vom Sonnenuntergang am Freitagabend bis zum Sonnenuntergang am darauffolgenden Samstagabend dauert. Er ist für die Juden der siebte Wochentag, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf. Dieses Verbot zählt zu den Zehn Geboten.

Die Feier wird zu Beginn der Erzählung umfassend beschrieben: Sie beginnt damit, dass Deborah das Haus intensiv säubert und bei Beginn der Dunkelheit Kerzen entzündet und betet (S. 9). Nachdem Mendel zurückgekehrt ist und ein Lied gesungen hat (S. 9), essen alle in Stille eine Suppe und warten, bis die Kerzen ganz heruntergebrannt sind. Dann legen sich alle zur Ruhe.

Dieses Ritual wiederholt sich jede Woche: „Am Ende jeder Woche brach so der Sabbat an, mit Schweigen, Kerzen und Gesang. Vierundzwanzig Stunden später tauchte er unter in der Nacht, die den grauen Zug der Wochentage anführte, einen Reigen aus Mühsal“ (S. 10). Ebenso sucht Mendel am Sabbat die Synagoge auf, um dort zu beten (S. 29).

Obwohl der Sabbat einen wichtigen Teil der Tradition der Familie beinhaltet, scheint er nach der Auswanderung nach Amerika an Bedeutung zu verlieren. Mendel merkt lediglich in einem inneren Monolog an, dass Deborah auch in New York einmal in der Woche den Fußboden scheuert, „aber so safrangelb wie zu Hause wird er niemals“ (S. 106). 

Die Beschneidung

Die Söhne der Familie werden traditionell am achten Tag nach ihrer Geburt beschnitten, so wie es von den Gläubigen im 1. Buch Mose (Gen 17,10-14) gefordert wird:  „Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt. Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.“ „Acht Tage später wurde es [das Kind] beschnitten und Menuchim genannt“ (S. 10).

Die Gebete

Schon zu Beginn des Romans wird veranschaulicht, wie die drei vorgeschriebenen Gebete, die ein Jude während des Tages verrichten muss, den Ablauf strukturieren: „Jeden Morgen dankte Mendel Gott für den Schlaf, für das Erwachen und den anbrechenden Tag. Wenn die Sonne unterging, betete er noch einmal. Wenn die ersten Sterne aufsprühten, betete er zum dritten Mal. Und bevor er sich schlafen legte, flüsterte er ein eiliges Gebet mit müden aber eifrigen Lippen“ (S. 8). Diese Gebete sind Teil des „Mizwot“ (der jüdischen Vorschriften), zu denen neben den 10 Geboten weitere 365 Verbote und 248 Gebote gehören, die von gläubigen Juden eingehalten werden müssen. Gläubige Juden sollen drei Mal am Tag beten (morgens, mittags, abends). Mendel fügt sogar noch ein Nachtgebet hinzu.

Mendel und Deborah beten und fasten unter anderem speziell dafür, dass ihr Sohn Menuchim wieder gesund wird, statt ihn in ein Spital zu geben: „Er [Mendel] beschloß, Gottes Hilfe für seinen Jüngsten zu erflehen und zweimal in der Woche zu fasten, Montag und Donnerstag. Deborah nahm sich vor, auf den Friedhof zu pilgern und die Gebeine der Ahnen anzurufen, um ihre Fürsprach beim Allmächtigen“ (S. 13). Deborah wird im weiteren Verlauf des Romans mehrfach auf den Friedhof gehen, um dort zu beten: „Sie pilgerte zum Friedhof durch Regen und Schnee“ (S. 13); siehe auch S. 37-38). Deborah wendet sich bezüglich Menuchims auch an einen Rabbi. Mendel lächelt darüber, denn „seine schlichte Frömmigkeit bedurfte keiner vermittelnden Gewalt zwischen Gott und den Menschen“ (S. 18).

In Zuchnow besucht Mendel regelmäßig die Synagoge, um dort zu beten. Dies tut er nicht nur am Sabbat, sondern auch an den jüdischen Feiertagen (z.B. Begrüßung des Neumondes, s. dazu S. 61-62). Als er entdeckt, dass Mirjam mit einem Kosaken zusammen ist, kehrt er erneut ins Gebetshaus zurück und betet die ganze Nacht (S. 65-66). Die Juden sind aber nicht dazu verpflichtet, ihre Gebete in einer Synagoge zu verrichten, und so beten die ältesten Leute des jüdischen Viertels in New York abends in der Wohnstube der Skowronneks das Abendgebet (S. 111). Die einzige Voraussetzung für ein jüdisches Gebet besteht generell darin, dass die Gläubigen sich zu Gruppen von 10 religionsmündigen Männern zusammenfinden. Diesen Gebetskreis nennt man „Minjan“. Die Darstellung eines solchen Gebetskreises findet sich im zweiten Teil des Romans, als Mendel in seiner Glaubenskrise ist.

Während die anderen Juden inbrünstig in ihren Gebetsmänteln beten, steht Mendel in seinen Alltagskleidern im Hintergrund und beobachtet die Betenden, dabei ist „sein Herz ein Stein“ (S. 149). Er hat sich von Gott abgewandt und betet nicht mit. Daher wird er von den Betenden als ein „Fremder“ (S. 149) angesehen. Seinen Gebetsriemen verleiht er gegen Bezahlung (S. 146) und er lässt sich auch dafür bezahlen, als 10. Mann einen Gebetskreis zu vervollständigen (S. 145-146).

Die Ernährungsvorschriften

Die Tora erteilt den Gläubigen strenge Ernährungsvorschriften, die unbedingt eingehalten werden müssen. Dadurch werden selbst die Zubereitung...

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