Das neue Recht

Die Vertreter des Sturm und Drang strebten auch eine Humanisierung der Rechtspflege an. Recht sollte nicht mehr nur aufgrund von Paragraphen und dem rigiden Einhalten von Vorschriften gesprochen werden, sondern auch auf humanistischen Aspekten beruhen, die in die Gesetzbücher mit einfließen sollten.

Der Hintergrund dieser Forderungen war das immer noch existierende Ständesystem am Ende des 18. Jahrhunderts. Angehörige der oberen Gesellschaftsschichten besaßen oftmals gute Kontakte zu den Richtern und Juristen und konnten sich im Gegensatz zu den unteren Gesellschaftsschichten freikaufen. Oft wurden sie auch bevorzugt behandelt, während Angehörige unterer Gesellschaftsschichten mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft wurden. Dies stellte in den Augen der jungen Autoren des Sturm und Drang eine Ungerechtigkeit dar, die sie in ihren Werken denunzierten.

Fehderecht versus römisches Recht

Juristische Aspekte lassen sich an mehreren Stellen des Dramas herausarbeiten und stehen in einem Zusammenhang mit dem Niedergang des Rittertums, der mit der Handlung um Götz verbunden ist.

Seit dem 10. Jahrhundert ist die ritterliche Fehde dann ein legitimes Mittel, wenn zwei freie Sippen miteinander Streit hatten. In einem gewissen Rahmen durften sie einen Privatkrieg gegeneinander führen und Selbstjustiz üben. 1495 wird der Ewige Landfrieden ausgerufen und diese Fehden damit kriminalisiert. Das Recht, zu urteilen und zu richten, verlagert sich nun in die Hände des Staates und der Gerichte, die das sogenannte römische Recht vertraten (siehe auch dazu Abschnitt „Faustrecht und römisches Recht“).

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als sich die Dramahandlung abspielt, ist der Konflikt zwischen den Anhängern der alten Ordnung und den Befürwortern des römischen Rechts sehr präsent. Die neue Rechtspraxis bedeutet nämlich, dass die Ritter ihre Vorteile verlieren, während die Fürsten gleichzeitig mehr Kontrolle gewinnen.

Ritter, wie Götz, lehnen die Verschiebung der Machtverhältnisse ab, sie fühlen sich nach wie vor nur dem Kaiser verpflichtet. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Fehde durchaus ein lukratives Geschäft für das freie Rittertum ist: Durch die Selbsthilfe kommt der historische Götz beispielsweise zu einem so großen Vermögen, dass er sich Burg Jagsthausen kaufen und sich aus schwierigen Situationen immer freikaufen kann. Im Drama ändert Goethe diesen historischen Fakt zugunsten einer besseren Darstellung von Götz ab: Hier befindet sich die Burg bereits seit zweihundert Jahren im Besitz der Familie von Berlichingen (S. 20). So muss nicht erklärt werden, woher die Mittel für den Kauf der Burg stammen.

Das Recht der neu

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