Erlkönig
Entstehung und Quellen
Die Fischerin
Mit seiner Ankunft in Weimar im Jahr 1775 startet Johann Wolfgang Goethe eine steile politische Karriere. Gegen den Widerstand der Beamtenschaft wird er 1776 Geheimer Legationsrat. 1779 steigt er zum Geheimrat auf und wird damit zu einem Mitglied der Regierung. Schließlich wird er 1782 zum Präsidenten der Finanzkammer ernannt, bevor Kaiser Joseph II. ihn im April desselben Jahres kurz vor dem Verfassen des „Erlkönigs“ aufgrund seiner hervorragenden Leistungen in den Adelsstand erhebt.
Die Ballade „Erlkönig“ verfasst der 33-järige Goethe als eine Einlage für das Singspiel „Die Fischerin“. Das kleine Werk wird am 22. Juli 1782 im Park zu Tierfurt am Ufer der Ilm bei Weimar vor Mitgliedern des Weimarer Hofes uraufgeführt. Der Dichter widmet das Werk seinem Freund Johann Gottfried Herder und seiner Frau Caroline.
Zu Beginn des Stückes singt die junge Braut Dortchen, während sie auf ihren Bräutigam und Vater wartet, die Ballade vom Erlkönig. Diese hat jedoch keine weitere Bedeutung im Stück. Mit der Integration verschiedener Lieder in das Singspiel bezweckt Goethe, dem Publikum eine Auswahl der europäischen Volkslieder, die sein Freund Johann Gottfried Herder gesammelt hatte, nahezubringen. Während das Singspiel „Die Fischerin“ schnell in Vergessenheit geriet, fand der „Erlkönig“ seinen Platz im Kanon der deutschen Lyrik. Das Gedicht wurde häufig parodiert, neu interpretiert und vertont. Am bekanntesten ist dabei bis heute die Vertonung von Franz Schubert.
Herder als Ideengeber
Goethe traf den Dichter und Theologen Johann Gottfried Herder im Rahmen seiner Studienzeit 1770 in Straßburg. Dies war der Beginn einer produktiven Freundschaft. Unter anderem war Herder der Ideengeber für die „Erlkönig“-Ballade. Goethe verwendete als Grundlage für sein Gedicht Herders „Erlkönigs Tochter”, eine Übersetzung der gleichnamigen dänischen Volksballade ins Deutsche, die Herder in die erste Auflage seiner Volkslieder-Sammlung (1778/79) aufnahm.
Aus Herders Gedicht übernahm Goethe die Form, die Grundstruktur, das bedrohliche Treffen mit einem magischen Wesen und einige weitere Motive. Bei seiner Übersetzung unterlief Herder der Fehler, das dänische Wort „Ellerkonge“ mit „Erlkönig“ statt mit „Elfenkönig“ zu übersetzen. Diesem Fehler folgte Goethe bei der Konzeption seiner Ballade „Erlkönig“.
In Herders Gedicht trifft der junge Oluf bei einem Ritt durch den Wald auf die Tochter des Erlkönigs, die versucht, ihn zu verführen. Sie möchte mit Oluf tanzen, er will ihr diesen Wunsch aber nicht erfüllen, da er am nächsten Tag Hochzeit feiert. Daraufhin wird die Tochter des Erlkönigs böse und lässt ihn tödlich erkranken. Am nächsten Tag stirbt Oluf: „Da lag Herr Oluf und er war todt“. (Quelle). Die Geschichte thematisiert die Kraft der Liebe und Treue.
Goethe überarbeitete Herders „Erlkönigs Tochter”, indem er den Plot grundlegend änderte. In seiner Ballade erscheint der Erlkönig selbst. Seine Töchter spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Protagonistenposition ändert sich ebenfalls: Nicht der Bräutigam am Vorabend seiner Hochzeit spielt die Hauptrolle, sondern ein Vater und sein Sohn, die durch die Nacht reiten. Der Dialog zwischen Oluf und der Tochter des Erlkönigs wird durch einen Dialog zwischen Vater und Sohn ersetzt. Der Erlkönig ist dabei eine dritte Stimme, die nur das Kind hören kann. Die Natur gewinnt in Goethes Ballade an Bedeutung, während sie bei Herder nur die Kulisse bildet.
Aufbau, Metrum, Reimschema und Inhalt
Die Ballade „Erlkönig“ zählt zwar noch zur Epoche des „Sturm und Drang“, doch sind die Anfänge der Weimarer Klassik im Jahr 1786 bereits eingeläutet. Goethe wendet sich damit einer Form der Dichtung zu, die regelbasiert ist und nicht von den Erlebnissen und Erfahrungen des Genies abhängt.
Das Gedicht besteht aus acht Strophen zu je vier Versen. Der grundlegende Versfuß ist zwar der Jambus, doch finden sich in unregelmäßigen Abständen auch dreisilbige Versfüße. Ein festes Metrum ist deshalb kein wesentliches Merkmal einer Ballade, da diese Texte überwiegend auf die Singbarkeit hin verfasst werden.
Die Struktur des Gedichts ist weitgehend symmetrisch. Zum Beispiel umschließt der Bericht des Erzählers (Strophe 1 und 8) die Strophen in wörtlicher Rede (Strophe 2 bis 7). Die Strophen 4 und 6 sind gleich gebaut und bestehen aus einer Frage des Kindes (2 Verse) und einer Antwort des Vaters (2 Verse). Diese Konstruktion findet ihre umgekehrte Anwendung in der zweiten Strophe, in welcher der Vater zuerst spricht. Die siebte Strophe beginnt mit einer Sprechpassage des Erlkönigs, dann wendet sich das Kind an den Vater. Die Strukturen der Strophen zwei und sieben sind damit ähnlich.
Das Reimschema der einzelnen Strophen lautet „aabb“. Es handelt sich folglich um einen Paarreim. Ausgenommen davon sind die ersten beiden Verszeilen der fünften Strophe „gehn – schön“. Diese sind Waisen, die keinem Paarreim angehören. In der ganzen Ballade herrscht mit wenigen Ausnahmen die stumpfe, männliche Kadenz. Diese übt auch einen großen Einfluss auf den Leserhythmus aus.
Der Text handelt davon, wie ein Vater mit seinem Kind durch eine nächtliche Landschaft reitet. Während das Kind in den Erscheinungen der Natur märchenhafte Gestalten erkennt und sich angstvoll immer wieder an den Vater wendet, betrachtet dieser die Situation ganz nüchtern. Er ignoriert dabei die Angst seines Sohnes und weist ihn darauf hin, dass es sich lediglich um eine Einbildung handelt. Das Kind überlebt die Reise nicht.
Analyse
1. Strophe
Der heterodiegetische Erzähler präsentiert in der ersten Strophe die Situation: Ein Vater reitet mit seinem Sohn in den Armen durch die windige Nacht. Er beginnt mit einer rhetorischen Frage, die er im zweiten Vers beantwortet.
In dem dritten und vierten Vers unterstreichen die Anapher „Er“ und der Parallelismus im v...