Vorspiel auf dem Theater

Einleitung

Im Jahr 1791 übernimmt Johann Wolfgang von Goethe die Leitung des Weimarer Hoftheaters und sorgt dadurch sowie durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Kollegen und Freund Friedrich Schiller für den Aufstieg der Stadt Weimar zu einer kulturellen Hochburg, in der er im Juni 1797 seine Arbeit an der „Faust“-Tragödie nach langen Vorbereitungen und Vorüberlegungen erneut und endgültig aufnimmt.

Seinem Stück, welches später als Lebenswerk des Dichters gilt, stellt er drei Prologe voran. Der letzte davon, der „Prolog im Himmel“, kann als zur Handlung zugehörig und als direkte Einleitung begriffen werden. Die „Zueignung“ jedoch sowie das „Vorspiel auf dem Theater“ bilden dagegen zwei äußere Rahmen, die den „Faust“ als das Werk eines Dichters und damit als Fiktion kennzeichnen und somit die Illusion der Realität vorweg zerstören.

In der Zueignung tritt der Dichter selbst als das Lyrische Ich auf und beschreibt seinen Schaffensprozess. In dem „Vorspiel auf dem Theater“ wird die Theaterkunst aus drei Perspektiven beleuchtet, wobei klar zum Ausdruck kommt, dass nicht nur der kunstvolle, sondern auch der finanzielle sowie der Unterhaltungsaspekt einen großen Stellenwert in der Branche haben. In diesem Rahmen erweist sich „Faust“ als eine Tragödie, die den Ansprüchen aller Beteiligten, wie Direktor, Dichter, Schauspieler, genügen soll. Die beiden ersten Perspektiven konnte Johann Wolfgang von Goethe als Dichter und Leiter des Hoftheaters in Weimar am eigenen Leib erfahren. Die letzte Sichtweise des Schauspielers lernte er ebenso in seiner 26 Jahre währenden Tätigkeit kennen und verstehen.

Goethe gewährt dem Leser einen Einblick in das Spannungsfeld, welches die Produktion eines Stückes eröffnet, und dekonstruiert auf diese Weise wie bereits in der „Zuschreibung“ die Illusion einer Realität, welche auf der Bühne üblicherweise angestrebt wird. Seine Tragödie soll als ein kunstvolles Theaterstück erscheinen. Der Zuschauer soll es nicht hinterfragen oder zu verstehen versuchen, denn die Kunst folgt einer anderen Logik und hat ihre eigenen selbst gesteckten Regeln.

Als Goethe 1817 das Amt des Theaterleiters in Weimar niederlegt, ist der „Faust“ noch bei Weitem nicht abgeschlossen. Doch das erlangte Wissen und Verstehen weisen dem Dichter den Weg zu einem Meisterwerk, welches „durch Jahre durchgedrungen“ seit Jahrhunderten „in vollendeter Gestalt“ erstrahlt.

Inhalt

Im zweiten Prolog zum „Faust“ begegnen sich auf den Bühnenbrettern der Direktor, der Dichter und eine lustige Person, der Schauspieler. Sie unterhalten sich über ein noch zu konzipierendes Theaterstück, welches in Kürze dem Publikum präsentiert werden soll:

  • Der Direktor macht seine Position deutlich. Er möchte es gern einer großen Masse recht machen, sodass sich die Kasse des Theaters füllt und dieses Theater Ruhm und Reichtum erlangt.
  • Der Dichter fungiert als ein Gegenpol dazu. Er wehrt sich gegen die Wünsche des Direktors, betont die Freiheit der Kunst und des Schaffenden. Sein Anliegen ist es nicht, die Masse zufriedenzustellen, sondern etwas für die Nachwelt zu kreieren: Ein Meisterwerk der Weltliteratur.
  • Der Schauspieler schließlich tritt als Vermittler zwischen beiden Parteien auf. Er versteht beide Bestrebungen und gibt beiden in Teilen ihrer Aussagen recht. Er selbst strebt ebenfalls nach der Liebe des Zuschauers durch einen hohen Unterhaltungswert und wünscht sich ein Stück, welches ihm einen möglichst guten Auftritt erlaubt.

Der Prolog endet mit einer abschließenden Aussage des Direktors, welcher der Diskussionen überdrüssig ist und die beiden Künstler zur Arbeit auffordert.

Form

Das „Vorspiel auf dem Theater“ besteht aus elf Spracheinheiten, die durch einen gleichmäßigen Jambus miteinander verbunden sind. Sie alle weisen unterschiedliche Reimart-Kombinationen auf, die sich aus Kreuzreimen, umschließenden Reimen, Paarreimen und Weisen zusammensetzen. Die Kadenzen variieren unregelmäßig, ebenso schwanken die Verslängen zwischen acht und dreizehn Silben mit vier bis sechs Hebungen. Die Variation macht es daher notwendig, die Form nicht zusammenfassend, sondern im Rahmen der einschlägigen Spracheinheiten zu thematisieren.

Auffallend ist die Verwendung der Stanze in der zweiten Spracheinheit, der Antwort des Dichters auf die Forderungen des Direktors, in welcher der Künstler die Autonomie der Kunst verteidigt und betont. Die Stanze, eine alte Strophenform...

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