Studierzimmer I

Die Szene „Studierzimmer I“ ist ein Teil der Gelehrtentragödie und folgt der Szene „Vor dem Tor“, in der Faust sich am Ende seiner Wanderung mit seinem Schüler dem Magischen zuwendet. Auf die Hoffnung des Gelehrten auf einen Zaubermantel folgt gleich das Erscheinen eines schwarzen Hundes. Das Tier weckt Fausts Interesse, der glaubt, dass dieser magische Eigenschaften besitzt. In der Szene „Vor dem Tor“ verstärken sich die Vorahnungen des einsichtigen Gelehrten, nachdem er den Hund in sein Haus mitgenommen und somit Mephisto eine Einlassmöglichkeit in seine Welt ermöglicht hat.

Am Anfang war die Tat

Nach seinem Osterspaziergang hat Faust wieder sein Studierzimmer aufgesucht. Der ominöse Pudel ist ihm gefolgt und läuft unruhig umher. Faust schöpft wieder neue Kraft in dem Gedanken an die Menschen- und Gottesliebe: “Verlassen hab' ich Feld und Auen,/ Die eine tiefe Nacht bedeckt,/ Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen/ In uns die beßre Seele weckt./ Entschlafen sind nun wilde Triebe/ Mit jedem ungestümen Tun;/ Es reget sich die Menschenliebe,/ Die Liebe Gottes regt sich nun“ (V. 1178-1185). Doch sein euphorisches Gefühl des Neubeginns hält nicht lange an: “Aber ach! Schon fühl' ich, bei dem besten Willen/ Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen“ (V. 1210-1211).

Erneut versucht Faust, seinen Erkenntnishunger zu stillen. Diesmal sucht er 'Offenbarung' in der Religion und macht sich an die Übersetzung des Johannes Evangeliums. Faust möchte auch hier zu dem Wesen der Dinge vordringen. Nicht irgendein x-beliebiges Dokument, sondern das Neue Testament, „das heilige Original“ (V. 1222), möchte er ins „geliebte(s) Deutsch““ (V. 1223) übertragen. Doch schon der erste Vers des Johannesevangeliums bereitet ihm große Schwierigkeiten. Die Übersetzung „Am Anfang war das Wort“ (V. 1224) gefällt ihm deshalb nicht, da ihm 'das Wort' nicht passend erscheint, um damit den Ursprung allen Daseins zu beschreiben. So ersetzt er 'Wort' zunächst mit „Sinn“ (V. 1229), dann mit „Kraft“ (V. 1233) und gelangt schließlich zu der Fassung: „Am Anfang war die Tat“ (V. 1237).

Dieser Übersetzungsprozess spiegelt auch Fausts innere Wandlung wider: Nicht mehr das Wort steht am Anfang, sondern die Tat ist der entscheidende Motor. Faust will auch hier, paradoxerweise im Prozess der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die Welt des Wortes und der Gelehrsamkeit verlassen und das Leben in der Tat ergründen.

Auftreten des Mephistopheles

Der schwarze Pudel stört ihn bei dieser kontemplativen Arbeit durch sein anhaltendes Heulen. Auch sprachlich zeigt sich diese Störung in einer ungleichmäßigeren daktylischen Ver...

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