Garten
- Einführung und Form
- Teil 1: Dialog zwischen Gretchen und Faust (V. 3073-3085)
- Teil 2: Dialog zwischen Marthe und Mephistopheles (V. 3085-3095)
- Teil 3: Zweiter Dialog zwischen Gretchen und Faust (V. 3096-3148)
- Teil 4: Zweiter Dialog zwischen Marthe und Mephisto (V. 3149-3162)
- Teil 5: Dritter Dialog zwischen Gretchen und Faust (V. 3163-3193)
- Teil 6: Dritter Dialog zwischen Marthe und Mephisto (V. 3195-3204)
- Fazit
Einführung und Form
Die Szene „Garten“ (V. 3073-3204) handelt von der ersten Verabredung Fausts und Gretchens, die Mephisto und Gretchens Nachbarin Marthe arrangieren. Sie besteht aus Gesprächen Fausts und Gretchens sowie Mephistos und Marthes während eines abendlichen Spaziergangs im Garten.
Die Szene ist platziert zwischen der Szene „Straße II“, in der Faust und Mephisto über das Lügen, Betrügen und leere Versprechungen in der Liebe diskutieren, und der Szene „Ein Gartenhäuschen“, in der Faust und Gretchen sich zum ersten Mal küssen und Gretchen anschließend ihrer Nachbarin anvertraut, dass sie sich in den klugen Mann verliebt hat. Während die nachfolgende Szene das Ergebnis des Spaziergangs abbildet – Faust kommt Gretchen näher und erringt einen Kuss von ihr –, beschreibt die vorangehende Szene, wie Fausts Verhalten zu interpretieren ist.
„Denn morgen wirst, in allen Ehren, das arme Gretchen nicht betören,/ Und alle Seelenlieb ihr schwören?“ (V. 3052-3054), sagt Mephisto zu Faust im Vorgespräch. Dieser versucht sich zunächst herauszuwinden, spricht jedoch auch nur von „Glut“ und stellt letztendlich fest: „Denn du hast Recht, vorzüglich weil ich muss.“ (V. 3072). Diese Worte verdeutlichen Fausts wirkliche Zielsetzung im Hinblick auf Gretchen, welche er in der nachfolgenden Szene „Garten“ verschleiert: Seine Liebesbekundungen sind folglich nicht ernst zu nehmen, sondern dienen lediglich der Befriedigung seiner Begierde. Der Rahmen der Szeneinterpretation ist damit im Voraus festgelegt.
Die Szene „Garten“ kann in sechs kleine Abschnitte unterteilt werden, welche die einzelnen Gesprächssituationen abbilden. Abwechselnd sprechen Margarete und Faust sowie Mephisto und Marte miteinander. Es entsteht der Eindruck von „Gesprächsfetzen“, die der Zuschauer/Leser beim Passieren der Paare aufschnappt.
In der Szene dominiert der Madrigalvers. Die Reimkonstellationen variieren. Es sind Paarreime, Kreuzreime und umschließende Reime vorhanden.
Teil 1: Dialog zwischen Gretchen und Faust (V. 3073-3085)
Die Szene beginnt mit der Regieanweisung: „Margarete an Faustens Arm“. Dies sagt aus, dass Margarete nun Fausts Angebot „Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,/ Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ (V. 2605f.), welches sie in der Szene „Straße“ noch abgelehnt hatte, nun doch angenommen hat.
Im Garten spazierend, eröffnet Margarete das Gespräch. Ihre Sprechpassage ist als eine verkürzte Stanze mit dem Reimschema ababcc formuliert. Der Kreuzreim und der Paarreim sind durch die wiederholte Verwendung des Personalpronomens „Ich“ miteinander verbunden. „Ich fühl es wohl, dass mich der Herr nur schont,/ Herab sich lässt, mich zu beschämen.“ (V. 3073f.).
In Analogie zu der gesamten Sprechpassage stehen sich hier das „Ich“ (Gretchen, die Frau) und das „Er“ (Faust, der Herr) gegenüber. Dabei ordnet sie dem fremden Mann eine höhere Position als sich selbst zu. Dass er sich zu ihr „herab“ begibt, wird durch die Inversion in der Verszeile 3074 betont. Auch Worte, wie „beschämen“ und „schont“, signalisieren die gehobene Position des Mannes, welche ebenso von der Assonanz „lässt“ – „beschämen“ untermalt wird. Zugleich signalisiert die Ansprache in der dritten Person Margaretes Distanzierung von Faust.
„Ein Reisender ist so gewohnt/ Aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen“ (V. 3075-3076) – diese Verse sind durch ein Enjambement miteinander verknüpft. Gretchen hält Faust für einen Reisenden, der unterwegs in unbekannten Städten Konversationen mit den Leuten betreiben muss, die ihm im Laufe seines Aufenthalts begegnen. Gretchen geht folglich davon aus, dass Faust nur deshalb mit ihr spazieren geht, weil er gerade keine bessere Gesprächspartie hat. Als Reisender muss er Kompromisse machen, eben „fürlieb nehmen“.
Den Grund für diese Einstellung benennt sie im nachfolgenden Paarreim, welcher ebenso mit einem Enjambement verbunden ist: „Ich weiß zu gut, dass solch erfahrnen Mann/ mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.“ (V. 3075-3078). Mit ihrer Annahme hat sie, ohne es zu wissen, vollkommen recht, jedoch nicht deshalb, weil Faust ein Reisender, sondern weil er ein Gelehrter ist. Die Adjektive „erfahrnen“ und „arm“ stehen sich antithetisch gegenüber. Sie machen auf diese Weise auf den Gegensatz zwischen den Subjekten aufmerksam, denen sie zugeordnet sind: Mann und Frau; Gretchen und Faust.
Fausts Antwort besteht in einem Paarreim: „Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält,/ Als alle Weisheit dieser Welt.“ (V. 3079f.). Die Zeilen sind einprägsam und gehen gleich ins Ohr. Dies ist der geschickten rhetorischen Konstruktion der Passage geschuldet: Ein Parallelismus und eine Anapher zu Beginn, denen schließlich eine Assonanz und eine Alliteration folgen. Die schmeichelnden Verse enden mit einer Hyperbel: „alle Weisheit dieser Welt.“.
Inhaltlich weiß Faust ebenso, wovon er spricht: Als ein Experte in so zahlreichen Disziplinen (Theologie, Medizin, Rechtswesen, etc.) kann er durchaus beurteilen, was für ihn unterhaltsamer ist – Die Weisheit der Welt oder Margarethes Anwesenheit. Fraglich ist jedoch, ob hier der Mann spricht oder der Trank, den er zuvor in der Szene „Hexenküche“ verabreicht bekommen hat.
Faust küsst die Hand des Mädchens, die nun darauf reagiert. Ihre Sprechpassage bildet einen Kreuzreim: „Inkommodiert Euch nicht! Wie könnt ihr Sie nur küssen?/ Sie ist so garstig, ist so rauh!“ (V. 3082f.). Äußert Faust Begeisterung für Gretchen, so macht diese sich selbst vor ihm schlecht: Faust solle sich keine Unannehmlichkeiten bereiten und die raue Hand küssen. Die Beschaffenheit der durch umfangreiche handwerkliche Tätigkeiten geschädigten Hände wird durch den Parallelismus „ist so garstig, ist so rauh!“ unterstrichen. Der wiederholte Konsonant „k“ zu Beginn der Sprechpassage schafft einen einprägsamen Klang.
Spätestens in dieser Aussage wird deutlich: Margarethe siezt Faust, während dieser sie einfach duzt. Dies ist ebenfalls eine Komponente, die für die gehobene Position des Mannes steht. Auch hier signalisiert das Siezen Margaretes Distanzierung gegenüber dem Fremden.
Anschließend begründet Gretchen die schlechte Beschaffenheit ihrer Hände: „Was hab ich nicht schon alles schaffen müssen!/ Die Mutter ist gar zu genau.“ (V. 3083f.). Durch die Alliterationen wird eine kausale Verbindung zwischen den beiden Aussagesätzen hergestellt: Gretchens Mutter ist sehr streng, deswegen muss diese viel arbeiten. Sie schafft mit den Händen, während Faust ein Denker ist. Eine Antithese, die einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Gesprächspartnern hervorhebt und betont.
Teil 2: Dialog zwischen Marthe und Mephistopheles (V. 3085-3095)
Margarete und Faust gehen vorüber. Eine neue Gesprächssituation zwischen Marthe und Mephistopheles kommt zustande. Die erste Aussage Marthes und die erste Antwort Mephistos...