Dom

Einführung und Form

Die Szene „Dom“ ist ein Bestandteil der Gretchen-Tragödie, die Gretchens Gewissensmarter zum Ausdruck bringt, ihre Schwangerschaft verkündet und ihr einen schlechten Ausgang prophezeit. Die Szene spielt bei der Totenmesse für die Mutter Gretchens und ihren Bruder Valentin.

„Dom“ ist eingebettet zwischen den Szenen „Nacht“, in der Faust und Mephistopheles Gretchens Bruder ermorden, welcher seiner Schwester mit seinen letzten Atemzügen das Schicksal einer Hure verspricht, und „Walpurgisnacht“, einer Szene, in der Mephistopheles Faust die Welt der dunklen Mächte offenbart.

Die kurze Szene beinhaltet nur Sprechpassagen Gretchens, des bösen Geistes und des Chores.

Sie ist in Kurzversen mit zwei bis drei Hebungen verfasst, die als freie Rhythmen erscheinen, um die Dramatik der Sprechpassagen, Gretchens Verzweiflung und ihre Gewissensbisse zu untermalen und zu verdeutlichen. Die Passagen des Chores sind als Langverse mit Paarreimen sowie dreifachem Reim verfasst.

Analyse

Der böse Geist (V. 3776-3793)

Die Einleitung in das Geschehen bildet die Sprechpassage des bösen Geistes. An dieser Stelle gibt es zwei Möglichkeiten der Interpretation: Zum einen kann angenommen werden, dass der böse Geist bloß Gretchens Gewissen ist und damit ausschließlich in ihrem Kopf spricht, zum anderen könnte hier nach der begangenen Sünde Gretchens tatsächlich ein böser Geist erscheinen, der Gretchen die Gedanken in den Kopf setzt.

Der böse Geist spricht Gretchen auf die vergangenen Tage vor ihrem Beischlaf mit Faust an. „Wie anders“ (V. 3776), behauptet er, war es Gretchen, als sie noch „voll Unschuld“ (V. 3777) zum Altar trat – Er deutet damit an, dass es leichter war ohne Gewissensbisse, ohne Reue, ohne Angst vor dem gesellschaftlichen Fall und der göttlichen Strafe.

Die Verse „Als du noch voll Unschuld/ Her zum Altar tratst“ und „Aus dem vergriffnen Büchelchen/ Gebete lalltest“ (V. 3777-3780) sind durch Enjambements verknüpft. Die Spaltung dieser Aussagen mit einer dadurch verursachten kurzen Pause an der Stelle des Enjambements verleiht diesen Nachdruck und Eindringlichkeit. Die Anapher „Halb Kinderspiele, Halb Gott im Herzen!“ (V. 3781-3782) untermalt die Beschreibung von Gretchens Gemüts vor ihrer Liebschaft. Sie wird als noch ein Kind geschildert, gottestreu und tugendhaft.

Mit dem Ausruf des Namens „Gretchen!“ (V. 3783) wechselt der böse Geist von der Vergangenheit in die Gegenwart. Wo ihr nun der Kopf stünde, will der Geist wissen, welcher missliche Zustand sich nun in ihrem Herzen sich regt. Seine ersten beiden Fragen verdeutlichen die Opposition zwischen Kopf und Herz, welche als Stellvertreter für Gedanken und Gefühle fungieren. Der böse Geist suggeriert mit dem Begriff „Missetat“ (V. 3786), dass Gretchens Psyche negativ belastet und durch Reue gekennzeichnet ist. Die Fragepronomen, welche der Geist in den drei ersten Sätzen benutzt, treten als Alliteration auf: „Wie“, „Wo“, „Welche“.

Anschließend wird der Geist mit seiner nächsten Frage konkreter und eindringlicher: „Betest du für deiner Mutter Seele, die/ Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief...

Der Text oben ist nur ein Auszug. Nur Abonnenten haben Zugang zu dem ganzen Textinhalt.

Erhalte Zugang zum vollständigen E-Book.

Als Abonnent von Lektürehilfe.de erhalten Sie Zugang zu allen E-Books.

Erhalte Zugang für nur 5,99 Euro pro Monat

Schon registriert als Abonnent? Bitte einloggen