Abend

Einführung

Bei der Szene „Abend“ handelt es sich um die zweite Szene der Gretchen-Tragödie. Diese Szene schließt sich an die Szene „Straße I“ an, in der sich Faust und Gretchen nach der Verjüngung des Gelehrten auf der Straße zum ersten Mal begegnen und einige Worte wechseln. Die Szene umfasst die Verse 2678-2804 und handelt von dem Eindringen Fausts und Mephistos in das kleine Zimmer Gretchens in ihrer Abwesenheit, wobei sie ihr ein Schmuckkästchen als Geschenk dalassen. In der Szene wird nicht nur das Interesse Gretchens an dem Unbekannten deutlich, sondern es werden auch Fausts Begierde nach der jungen Frau und sein Zweifel an der moralischen Richtigkeit seines Handelns thematisiert. Die nachfolgende Szene „Spaziergang“ wird, darauf aufbauend, deutlich machen, dass Faust sich dazu entschieden hat, Gretchen zu verführen, und sich dafür auch bereits einen Plan erdacht hat. 

Form

Die Szene „Abend“ kann in fünf Abschnitte unterteilt werden: 1. Der erste Monolog Gretchens (V. 2678-2683), 2. Der erste Dialog zwischen Faust und Mephisto (V. 2684-2686), 3. Der Monolog Fausts (V. 2687-2728), 4. Der zweite Dialog zwischen Faust und Mephisto (V. 2729-2752) und schließlich 5. Der zweite Monolog Gretchens, welcher auch das Gedicht „Der König in Thule“ beinhaltet (V. 2753-2804).

Das Reimschema variiert und wird daher in der Analyse in Verbindung mit dem Inhalt ausführlich betrachtet. Die vorherrschenden Versformen sind der Knittelvers sowie der Madrigalvers. Mit wenigen Ausnahmen liegt überwiegend ein drei- bis sechshebiger Jambus vor. Das Gedicht „Der König in Thule“ ist in Volksliedstrophen verfasst.

Teil 1: Der erste Monolog Gretchens (V. 2678-2683)

Gretchen befindet sich in ihrem Zimmer, welches in der Regieanweisung als klein und reinlich beschrieben wird. Auf diese Weise charakterisiert es auch die Eigentümerin als eine ordentliche und arbeitsame Person und auf einer übertragenen Ebene als eine moralische Frau mit christlichen Werten. Die Regieanweisung beschreibt Gretchen, die mit ihrem Haar spielt, indem sie erst ihre Zöpfe bindet und diese anschließend auflöst. In dieser Handlung kann eine Vorausdeutung auf Gretchens Spagat zwischen dem braven bürgerlichen Mädchen und der Geliebten Fausts gesehen werden, die Sex vor der Ehe praktiziert. Der gebundene Zopf steht innerhalb dieser Metapher für das strenge Bürgertum, das offene Haar dagegen für eine Frau, die ihre Sexualität auslebt. 

Verstärkt wird die Metaphorik durch die Gedanken der jungen Frau. Denn Gretchen denkt an den Unbekannten, der sie auf der Straße ansprach und nach Hause begleiten wollte: „Ich gäb was drum, wenn ich nur wüsst/ Wer heut der Herr gewesen ist!“ (V. 2678f.). Die beiden Verse sind durch ein Enjambement miteinander verbunden. Auffällig ist die Anhäufung des Konsonanten „w“, die den Klang der Verse prägt. Zudem verleihen die Abkürzungen der Verben den Zeilen einen Klang, der kleinbürgerlich und einfach anmutet und Gretchen auf diese Weise als keine besonders gebildete Person charakterisiert. Die Exclamatio sowie der unreine Reim betonen die Aufregung der jungen Frau über die jüngst geschehene Begegnung. Gretchen ist nun neugierig geworden, sie möchte mehr über den Unbekannten erfahren.

In den nachfolgenden vier Verszeilen, die sich zu einer grammatikalischen Satzeinheit zusammensetzen, schildert Gretchen ihren Eindruck von dem Mann auf der Straße und damit von Faust: „Er sah gewiss recht wacker aus,/ Und ist aus...

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