Wette
In Johann Wolfgang von Goethes „Faust. Der Tragödie Erster Teil“ von 1808 bilden zwei Wetten, die als Rahmen- und Binnenwette bezeichnet werden können, den Motor für die gesamte Handlung: Die Wette zwischen dem „Herrn“ und dem Teufel und die Wette zwischen Faust und Mephistopheles.
Die Wette zwischen dem „Herrn“ und Mephistopheles (Rahmenwette)
Gottes und Mephistos unterschiedliche Wert- und Moralvorstellungen
Das Gespräch zwischen Gott und Mephistopheles im „Prolog im Himmel“ bildet den Ausgangspunkt der Handlung. Es stellt dabei zwei grundlegend verschiedene Auffassungen von der Schöpfung Gottes sowie unterschiedliche Wert- und Moralvorstellungen dar.
Zu Beginn der Szene loben die Erzengel Raphael, Gabriel und Michael die umfassende Schöpfung Gottes, die Welt mit allen ihren Sphären, bis schließlich Mephistopheles zu Wort kommt. Er weiß „Von Sonn‘ und Welten […] nichts zu sagen“ (V. 279, denn sein Spezialgebiet ist weder der Kosmos noch die Natur. Mephisto beschäftigt sich mit dem Menschen, dem letzten Bestandteil der Schöpfung. Er verbringt folglich seine Zeit nicht im Himmel, sondern auf Erden und zieht sein Fazit: „[…] ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht. Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,/ Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen“ (V. 296ff.). In den Worten des Teufels lässt sich eine Kritik an der Schöpfung Gottes erkennen.
Gott kommt daraufhin auf Faust zu sprechen, der als ein Beispiel für das Gegenteilige fungieren soll. Der Gelehrte ist ein spezieller Repräsentant des Menschen, da bei ihm in besonderer Weise zwei Facetten des Menschseins zusammenkommen: Das Streben nach dem Übermenschlichen, dem Göttlich-Hohen und das Gebundensein an das Menschlich-Irdische, an dem Drang nach sinnlicher Erfahrung.
Der Herr erkennt die Irrungen und Verfehlungen der Menschen als unumgänglichen und notwendigen Wesenszug an. Doch gerade die Fehler des Menschen befähigen dieser gleichzeitig dazu, immer weiter nach dem Guten zu streben und sich nicht müßig zur Ruhe zu setzen: „Es irrt der Mensch, solang' er strebt.“ (V. 317). Er glaubt daran, dass der Mensch das Gute in sich trägt und Fehler begehen muss, um am Ende geläutert und seelisch 'reicher' zu werden.
Für Gott wird der Mensch durch seine Vernunft geleitet, die ihn letztlich auch durch die Irrungen führt: “Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange/ Ist sich des rechten Weges wohl bewußt“ (V. 328-329). Beide Seiten des Menschen erfüllen ihren Sinn und Zweck. In der Metapher des Gärtners macht der Herr dies deutlich: „Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,/ Daß Blüt' und Frucht die künftgen Jahre zieren“ (V. 310-311).
Drei Interpretationen der Wette zwischen Gott und Mephistopheles
In der Forschung werden häufig nicht nur die Frage nach den Konditionen der Wetten gestellt, sondern auch ihr Zustande-Kommen hinterfragt. Besonders treten drei Interpretationen der Wette in Erscheinung, die verschiedene Gesichtspunkte vertreten:
- Es kommt eine Wette zustande, die von Mephistopheles ausgeht und Fausts Seele als Einsatz hat.
Mit dem Satz: „Was wettet Ihr? Den sollt ihr noch ve...