Gretchens Lieder und Gebet

Faust und Gretchen in Johann Wolfgang von Goethes „Faust. Der Tragödie erster Teil“ sind ein ungleiches Paar. Er – ein alter Gelehrter, ohne Bezug zu der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Werten, sie – ein bürgerliches Fräulein, das in die Gesellschaft vollständig integriert ist und die in dieser Gesellschaft geltenden Werte verkörpert. Dieser Unterschied wird besonders in der Lebensweise der beiden Figuren deutlich. Faust verbringt sein ganzes Leben auf der Suche nach der Wahrheit, nach der Erkenntnis, danach, „[…] was die Welt/ Im Innersten zusammenhält“ (V. 382f.). Er lebt zurückgezogen, unterrichtet seine Schüler und ist stets mit seinen Büchern beschäftigt. Seine Begegnungen mit den Bauern und Bürgern beim Spaziergehen sind respektvoll, jedoch distanziert und kühl.  

Gretchen dagegen mag die Gesellschaft anderer Menschen. Gern geht sie zu der Nachbarin hinüber oder tratscht mit den Mädchen am Brunnen, dabei werden junge Frauen, die sich nicht an die gesellschaftlichen Regeln halten, kritisiert und verachtet. Auch der Besuch in der Kirche ist für Gretchen eine willkommene Pflicht.  Sie teilt den Glauben ihrer Gemeinde. Ihr schlichtes Gemüt, ihr niedriger Bildungsstand und die Zugehörigkeit zum einfachen Volk werden durch die Sprache Gretchens, ihre Wortwahl sowie Abkürzungen und Vereinfachungen unterstrichen, aber auch durch ihre Lieder und ein Gebet.  

Gretchens drei Lieder in den Szenen „Abend“, „Gretchens Stube“ und „Kerker“ sowie ihr Gebet in der Szene „Zwinger“ werden nachfolgend ausführlich analysiert und gedeutet.

Es war ein König in Thule

Am Ende der Szene „Abend“ kehrt Margarete von ihrer Nachbarin zurück. Zuvor haben sich Faust und Mephisto in ihrem Zimmer aufgehalten. Sie bemerkt, dass sich in ihrem Zimmer in ihrer Abwesenheit etwas verändert hat. Trotz der kühlen Temperatur draußen empfindet sie ihr Zimmer als warm und stickig. Diese Wärme könnte mit der Anwesenheit des Teufels in Zusammenhang gebracht werden, der in den Höllenfeuern zuhause ist.  

Gretchen öffnet das Fenster. Sie verspürt ein mulmiges Gefühl, welches sie nicht genau in Worte fassen kann, und bekommt Gänsehaut am ganzen Körper. Sie möchte nicht allein sein und wünscht sich, die Mutter käme nach Hause zurück. Dieses Gespür Gretchens ist auf ihre Unschuld und ihren Glauben zurückzuführen. Sie spürt die vorangegangene Anwesenheit des Teufels in ihrem Zimme...

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