Faust und Wagner

Wagner als Fausts Gegenspieler

Die Beziehung zwischen Faust und Wagner wird zu Beginn von Johann Wolfgang Goethes „Faust. Der Tragödie erster Teil“ von 1808 in den beiden Szenen „Nacht“ und „Vor dem Tor“ in zwei kurzen Dialogen skizziert. Dieses Miteinander von Lehrer und Schüler ist auch ein Miteinander von Anfänger und Fortgeschrittenem, eines strebsamen jungen Forschers und eines von der Wissenschaft enttäuschten Gelehrten.

In Faust-Analysen wird Wagner häufig als der „Anti-Faust“ qualifiziert, als Fausts Gegenspieler oder Antagonist, der den völlig entgegensetzten Typus eines Wissenschaftlers verkörpert. Diese Interpretation ist korrekt, wenn auch nicht ganz vollständig durchdacht. Wagner vertritt als junger Wissenschaftler das, was Faust als älterer Gelehrter überwunden hat. Während der eine noch voller Hoffnung ist und Wissensdrang verspürt, hat den anderen die Ernüchterung eingeholt. So dient Wagner in der Drama-Konzeption zum einen dazu, Faust als seinen Gegenspieler besser zu charakterisieren und die Denkmuster des alten Mannes zu untermalen, zum anderen aber auch dazu, um die Vergangenheit Fausts aufzuzeigen.

Die Figur Wagners ist nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch in ihrer Darstellung ambivalent. So erscheint Wagner in Fausts Studierzimmer „im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand“ (Regieanweisung zwischen V. 521 und 522) haltend – eine alberne Erscheinung, wie man sie aus Zeichentrickfilmen und Karikaturen kennt. Von Faust selbst wird er als „trockne[r] Schleicher“ (V. 521) oder auch als „ärmlichste[r] von allen Erdensöhnen“ (V. 609) beschrieben und seine eigenen Aussagen, wie „Denn heutzutage wirkt das viel“ (V. 525) oder „Weil ich ein Feind von allem Rohen bin“ (V. 944), schließlich „O! glücklich! wer von seinen Gaben/ Solch einen Vorteil ziehen kann“ (V. 1013f.) lassen ihn arrogant, ruhmsüchtig und oberflächlich erscheinen.

Wagners positive Eigenschaften

Doch sollte man auch seine positiven Eigenschaften nicht außer Acht lassen. Wagner ist strebsam: „Zwar weiß ich viel, doch möchte ich alles wissen“ (V. 601). Er ist fleißig und geht seiner Arbeit mit großer Freude nach: „Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,/ Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!/ Da werden Winternächte hold und schön,/ Ein selig Leben wärmet alle Glieder,/ Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergament, so steigt der ganze Himmel zu dir nieder“ (V. 1104-1109).

Des Weiteren ist er rational und vorausschauend. Ist es doch ausgerechnet Wagner, der Faust davor warnt, die „Geister in der Luft“ (V. 1118) zu rufen. Er prophezeit seinem Lehrer das, was schließlich auch tatsächlich eintritt: „Berufe nicht die wohlbekannte Schar,/ Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,/ Dem Menschen tausendfältige Gefahr,/ Von allen Enden her, bereitet./ […]/ Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,/ Gehorchen gern, weil sie uns gern betriegen,/ Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,/ Und lispeln englisch, wenn sie lügen“ (V. 1126-1141).

Das ist doch eine perfekte Ankündigung für Mephisto, der kommen wird, um Schaden anzurichten und zu betrügen, und der so tun wird, als würde er gehorchen, der Versprechungen machen und sich dabei so präsentieren wird, als wäre er der ...

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