Fausts Existenzkrise
Einleitung
Ein Mann leidet unter einer Existenzkrise, bemüht sich, einen Sinn in seinem Leben und Tun zu finden und wendet sich in seiner Verzweiflung dem Teufel zu. Unter der Mitwirkung des Teufels verführt er eine junge Frau, schwängert sie, trägt zum Tod ihrer Mutter sowie ihres Bruders bei und flieht nach dem Versuch, die Frau aus dem Kerker zu befreien und damit vor dem Tod zu retten, gemeinsam mit dem Fürsten der Finsternis. So lässt sich die Handlung von Johann Wolfgang Goethes „Faust. Der Tragödie erster Teil“ von 1808 kurz zusammenfassen.
Der Universalgelehrte Dr. Heinrich Faust zieht bereits zu Beginn des Dramas ein Fazit seines bisherigen Lebens und Wirkens mit dem ernüchternden Resultat, dass keine wissenschaftliche Disziplin ihm die Erkenntnis liefern kann, die er sich so sehr erhofft hat. Diese Enttäuschung bahnt Faust den Weg zum Übernatürlichen und letztendlich auch in die Arme Mephistos. Seine Existenzkrise stellt den Auslöser der tragischen Handlung dar und bildet die Hauptthematik der Gelehrtentragödie, erstreckt sich folglich im Wesentlichen auf die ersten sechs Szenen des Dramentextes: Nacht, vor dem Tor, Studierzimmer I und II, Auerbachs Keller in Leipzig und Hexenküche (V. 354-2604).
Fausts unerfüllte Sehnsucht nach Erkenntnis
Die Enttäuschung
In der ersten Szene „Nacht“ berichtet Faust davon, dass er sein ganzes bisheriges Leben an die Wissenschaft geglaubt hat. Er hat zunächst den Magistertitel und anschließend den Doktorgrad erworben. Seit nun beinahe zehn Jahren unterrichtet er seine Schüler in verschiedenen Disziplinen. Doch schließlich überkommt ihn die große Enttäuschung: Er erkennt, dass selbst alle diese Wissenschaften zusammen ihm die Welt nicht bis ins letzte kleine Detail erklären können. Als Universalgelehrter, der sich mit „Philosophie,/ Juristerei und Medizin,/ Und leider auch Theologie“ (V. 354ff.) beschäftigt hat, hat er sich stets um neue Wege bemüht, die Antwort auf die Frage zu finden, „was die Welt,/ Im Innersten zusammenhält“ (V. 382f.). Die Natur möchte ihre Geheimnisse aber auch den Universalgelehrten vorenthalten. Und so ist Faust dazu gezwungen, entrüstet festzustellen, dass der Mensch trotz aller Bemühungen niemals alles wissen und erfahren kann, dass er immer ein Unwissender bleiben muss.
Nach schlaflosen Nächten sieht seine Bilanz düster aus: „Bilde mir nicht ein was Rechts zu wissen,/ Bilde mir nicht ein ich könnte was lehren/ Die Menschen zu bessern und zu bekehr...