Entstehung

Der lange Schaffensprozess

Mehr als 60 Jahre hat Johann Wolfgang von Goethe an seinen Dramen Faust I und Faust II gearbeitet und damit länger als irgendein Schriftsteller der Welt am selben Werk. In jeder Phase seines Lebens hat er sich damit beschäftigt. Schon in seiner frühen Kindheit hat er die Faustsage als Puppenspiel erlebt und kurz vor seinem Tod im Jahre 1832 hat der 82-jährige Goethe noch die letzten Eingriffe am zweiten Teil der Tragödie vorgenommen.

Die lange Zeitspanne erklärt deshalb die Tatsache, warum der Stil des Werkes nicht einheitlich ist, sondern verschiedene sprachliche und stilistische Elemente aus mehreren Literarturepochen enthält (siehe dazu Abschnitt „Zwischen Sturm und Drang, Klassik und Romantik“).

Nicht alle Situationen des gesamten Schaffensprozesses lassen sich genau rekonstruieren und exakt datieren, aber die Entstehung des gesamten Werks, das Faust I und Faust II einschließt, lässt sich jedoch grob in vier Phasen unterteilen:

Urfaust (1770-1775)

Die ersten richtigen Pläne zu einem Faust-Drama erarbeitet der junge Autor bereits in seiner Straßburger Studienzeit um 1770, angeregt von dem Prozess gegen die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt (siehe dazu Abschnitt „Gretchens Vorbild“). Das erste Manuskript entsteht in den kommenden Jahren in Frankfurt am Main. Goethe liest 1775 am Weimarer Hof aus seinem Drama vor und begeistert sein Publikum aufgrund der unkonventionellen Form und Sprache der Tragödie.

Jahrzehntelang galt der Text als verloren, bevor eine Abschrift der ersten Fassung 1787 bei der Weimarer Hofdame Luise von Göchhausen von dem Philologen Erich Schmidt zufällig aufgefunden wird und sogleich von ihm unter der Bezeichnung Urfaust (1787) herausgegeben wird.

Der Text besteht teils aus Knittelversen, teils aus Prosa und zeigt die charakteristischen Merkmale des Sturm und Drang wegen seiner ordinären und derben Sprache und der Aufhebung der drei klassischen Einheiten und der Ständeklausel (siehe dazu Abschnitt „Zwischen Sturm und Drang, Klassik und Romantik“).

Das Stück besteht aus einer losen Abfolge von 22 Szenen. Es enthält aufgrund des fehlenden Prologs im Himmel keine Wetten. Mephisto erscheint offensichtlich unmotiviert in der Erzählung. Der Kern des Dramas, die Gelehrten- und Gretchentragödie, ist jedoch bereits im Text vorhanden. Der Fokus des Dramas liegt auf der Liebestragödie um Gretchen: Verführt von dem erkenntnissuchenden Faust, endet die junge tugendhafte und fromme Frau, dem Wahnsinn verfallen, als Sünderin und Kindsmörderin im Kerker.

Faust - Ein Fragment (1790)

Während seiner Reise durch Italien von September 1786 bis Juni 1788 und nach seinem Heimkommen nach Weimar überarbeitet Goethe den Urfaust und entwickelt die Fassung Faust, ein Fragment.

Die neue Version enthält neben manchen Entbehrungen einige Ergänzungen, unter anderen die Szene „Hexenküche“. Das Fragment endet nicht mehr mit der tragischen Szene „Kerker“, sondern mit „Dom“ und rückt die Liebe...

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