Rezension

„Unterm Rad“ schildert dem Leser ein Jahr aus dem Leben des begabten Schülers Hans Giebenrath aus Calw. Hans ist einer der wenigen Auserwählten, die am Landexamen in Stuttgart teilnehmen dürfen, um später das Klosterseminar in Maulbronn besuchen zu können. Alle lokalen Pädagogen sind begeistert von dieser Möglichkeit und träumen davon, dass Hans dem kleinen Städtchen großen Ruhm einbringen wird. Zu diesem Zweck halten sie ihn dazu an, sehr viel und intensiv zu lernen, und übersehen dabei, dass Hans währenddessen körperlich und emotional verfällt.

Hans besteht das Landexamen und geht nach Maulbronn. Hier macht er die Bekanntschaft des Nonkonformisten Hermann Heilner, mit der er sich schnell anfreundet. Diese Freundschaft führt dazu, dass seine schulischen Leistungen immer schlechter werden. Außerdem geht es ihm körperlich und geistig immer schlechter, woraufhin er in einen Erholungsurlaub geschickt wird.

Hans reist nach Calw und kehrt nie wieder nach Maulbronn zurück. Seine einstigen Unterstützer zuhause ignorieren ihn und Hans verliert sich schon bald in Fantasien über den eigenen Tod. Schließlich beginnt er eine Lehre. Als er mit dem Lehrling und Kindheitsfreund August eines Tages nach Bielach geht, betrinkt er sich. Auf dem Heimweg nach Calw stirbt Hans Giebenrath in einem Fluss. Offen bleibt die Frage, ob er Selbstmord begangen hat oder durch einen Unfall gestorben ist.

In „Unterm Rad“ zeigt uns Hermann Hesse anhand seiner Hauptfigur, wie junge Menschen im Erziehungssystem des wilhelminischen Deutschlands gedrillt und weitab jeder Individualität zu Höchstleistungen angetrieben wurden. Die Rücksichtslosigkeit und Härte der pädagogischen Institutionen ignorieren die Gefühle und das innere Wesen ihrer Schüler – im Falle von Hans Giebenrath wird dadurch ein Mensch emotional völlig zerstört und am Ende in den Tod getrieben.

Noch heute enthält der Roman eine besondere Brisanz, denn er erinnert uns daran, dass nicht nur die Leistungsfähigkeit eines Mitglieds unserer Gesellschaft von Bedeutung ist, sondern auch ebenso seine individuelle Neigung und seine Fähigkeit, eigene Gefühle zu empfinden und auszuleben.

Hans Giebenrath bildet ein mahnendes Beispiel für die heutige Leistungsgesellschaft. An ihm kann in drastischer Weise nachvollzogen werden, was dann geschieht, wenn der natürliche Individualismus eine jungen Menschen zerbrochen und zerstört wird. Somit hat Hesse nicht nur einen Text hinterlassen, der als historische Kritik lesbar ist, sondern ebenso das Potenzial in sich birgt, auf aktuelle Gegebenheiten angewendet zu werden.