Gustave Flaubert

Kindheit und Jugend

Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert wird am 12. Dezember 1821 als jüngstes von sechs Kindern und zweiter Sohn[1] eines angesehenen und fleißigen Chirurgen und einer Arzttochter in Rouen, einer Großstadt in der Normandie, geboren. In seiner Jugend wohnt er mit seiner wohlhabenden Familie in einem Haus ganz in der Nähe des städtischen Krankenhauses, wo der Vater Chefarzt ist. Bis zu seinem vierten Geburtstag verliert er drei seiner Geschwister durch Krankheiten. Auch Gustave ist ein zerbrechliches und kränkliches Kind, das bis zu seinem neunten Lebensjahr von seiner Mutter zu Hause unterrichtet wird.

Mit zehn Jahren besucht Gustave das Collège Royal und danach das Lycée in Rouen. Der junge und sensible Außenseiter gilt als begabter, aber undisziplinierter Schüler, der sich vor allem für Geschichte und Literatur interessiert. Er gründet die Schülerzeitung Art et Progrès und schreibt bereits verschiedene Erzählungen.[2] Seine Novelle Bibliomanie wird 1837 sogar in der regionalen Literaturzeitung Colibri abgedruckt.

Als der 15-Jährige ein Jahr davor, im August 1836, seinen Sommerurlaub im Seebad Trouville verbringt, verliebt er sich in die elf Jahre ältere Élisa Schlesinger.[3] Mit dieser unerreichbaren Geliebten und großen Liebe bleibt er danach jahrzehntelang in Verbindung. Eine erste zweimonatige Reise macht Flaubert 1840 im Alter von 19 Jahren in Begleitung von Professor Jules Cloquet, einem Freund seines Vaters, durch Südfrankreich. Er verfasst dazu eine Erzählung, die in drei große Abschnitte unterteilt ist: Bordeaux, Marseille und Korsika.

Studium, Unglück und Reisen

Nach dem Abitur lässt Gustave sich auf Wunsch des Vaters an der juristischen Fakultät in Paris einschrieben, er wird durch ein Losverfahren vom Militärdienst befreit und zieht nach Paris. Er besteht im Dezember 1842 die erste juristische Zwischenprüfung, scheitert aber im zweiten Jahr. Er lernt 1843 den berühmten Schriftsteller Victor Hugo kennen, den er bewundert. Das verhasste Jurastudium gibt er 1844 aufgrund einer Nervenkrankheit auf, möglicherweise handelt es sich um Epilepsie.[4]

Seitdem lebt Flaubert in ständiger Angst vor dem nächsten Anfall und isoliert sich weitgehend von seiner Umgebung. Der Dreiundzwanzigjährige zieht dann in das Landhaus in Croisset an der Seine, nur wenige Kilometer abwärts von Rouen gelegen, das der Vater gleich erworben hat. Im Jahr 1845 heiratet seine Schwester Caroline seinen Jugendfreund Emile Hamard. Er begleitet sie auf ihrer Hochzeitsreise nach Italien.

1846 trifft ein doppeltes Unglück die Familie Flaubert: Der Vater stirbt im Januar an einer Entzündung nach einer Operation. Gustaves zweiundzwanzigjährige Schwester stirbt kurz später im März durch Kindbettfieber. Weiterhin wohnt der Autor mit seiner verwitweten Mutter und seiner frischgeborenen Nichte auf dem Landsitz der Familie in Croisset, der bis ans Lebensende sein Stammsitz bleiben sollte, obwohl die Familie eine Wohnung behält. Von diesem Zeitpunkt an kann Flaubert als Rentner von seinem Erbe, von der Verpachtung eines Landguts und von Zinsen ohne finanzielle Sorgen leben.

Im Jahr 1847 unternimmt der reiselustige Flaubert eine dreimonatige Wanderung in die Bretagne mit dem Schriftsteller Maxime du Camp, den er als Jurastudent kennengelernt hatte. Er schreibt Reisenotizen, die posthum unter dem Titel Par les champs et par les grèves veröffentlicht werdenIm Februar 1848 eilt Flaubert mit einem Freund nach Paris, um die revolutionären Ereignisse zu erleben, die das Ende der Herrschaft des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe einleiten,[5] und dringt am 24. Februar zusammen mit den Aufständischen in den Regierungspalast ein.

Ein Auftrag des französischen Landwirtschaftsministeriums und die finanzielle Unterstützung seine Mutter ermöglichen Flaubert und seinem Freund Maxime du Camp von 1849 bis 1851 eine Orientreise zu unternehmen. Im Laufe der achtzehn Monate besucht er Ägypten, Palästina, den Libanon, Syrien, die Türkei, Griechenland und Italien. In einem Bordell in Beirut infiziert er sich mit Syphilis. Die Krankheit hat glücklicherweise keine schlimmen Folgen für ihn.

Madame Bovary

Nach seiner Rückkehr von seiner Reise beginnt der dreißigjährige Schriftsteller im September 1951 die Niederschrift des Manuskripts von Madame Bovary. Der erste Teil wird im August 1852 fertiggestellt, der zweite im Jahr 1854. Der Roman wird 1956 nach fünfundfünfzig Monaten intensiver Arbeit beendet. Die Erzählung erscheint zunächst als Feuilleton in der Revue de Paris und im darauffolgenden Jahr als Buch.

Aufgrund seiner hohen Ansprüche an sich selbst hat Flaubert bisher keine seiner Manuskripte selbstständig veröffentlicht. Madame Bovary stellt seinen ersten gedruckten Roman dar und erzählt die Geschichte der romantischen Emma Rouault, die in ihrer Jugend Liebes- und Abenteuergeschichten verschlingt. Die junge schöne Bauerntochter träumt von einem aufregenden, glamourösen und fortwährend erfüllten Leben. Sie heiratet den braven Charles Bovary und glaubt zuerst kurz das Glück gefunden zu haben, aber langweilt sich bald in der Provinz. Unzufrieden findet sie Kompensation im Luxus und mit zwei sukzessiven Liebhabern. Um einer hoffnungslosen emotionalen und finanziellen Situation zu entkommen, vergiftet sie sich schließlich selbst. Ruiniert und verzweifelt stirbt ihr Ehemann kurz darauf.

Die Erscheinung der tragischen Geschichte bringt der Zeitschrift und dem Autor einen Prozess wegen Verstoßes gegen die moralischen und religiösen Sitten ein. Sie werden beide dank des klugen Plädoyers ihres Anwalts am 7. Februar 1857 freigesprochen. Letzten Endes wirkt sich der Prozess für Flaubert positiv aus: Der Skandal bringt einen nachfolgenden Verkaufserfolg mit sich und es gelingt dem jungen Autor schlagartig der große literarische Durchbruch.

Louise Colet

Flaubert lernt bei einem Besuch in Paris im Juli 1846 die elf Jahre ältere Dichterin Louise Colet (1810-76) kennen. Er beginnt eine langjährige leidenschaftliche Liebschaft mit der angesehenen und verheirateten Literatin, die von plötzlichen Trennungen und Neuanfängen geprägt ist. Flaubert möchte keine Ehe und keine Kinder und bleibt distanziert, obwohl er in Louise verliebt ist. Er weigert sich bereits von Anfang ihrer Beziehung an, seine Gewohnheiten zu ändern, um ihre Treffen zu erleichtern. Stattdessen sorgt er dafür, dass diese so weit wie möglich auseinander liegen, damit sie sein literarisches Schaffen nicht beeinträchtigen. Er möchte vor allem ein Treffen zwischen seiner lieben Mutter und Louise vermeiden und die Ordnung aufrechterhalten, die es ihm ermöglicht, in Ruhe zu schreiben. Die Verliebten sehen sich nur etwa zwanzigmal, einmal in Rouen, sonst in Paris, aber schreiben sehr viele Briefe aneinander. Seine selbstsichere Unabhängigkeit und ihre Eifersucht machten eine Trennung unvermeidlich. Der Bruch mit der schönen Louise erfolgt im Januar 1855.

Flaubert hilft der Schriftstellerin ihre Erzählungen zu korrigieren. Die freie und emanzipierte Preisträgerin der Académie Française dient Flaubert als Muse und Modell. In seinem Roman Madame Bovary werden beispielsweise Léons und Emmas Liebesschwüre in der Droschke mehrmals mit Kutschfahrten in Verbindung gebracht, mit denen die Affäre zwischen Louise und Gustave begonnen hat. Auch bekommt Flaubert von Louise einen Achatstempel, in den ein Motto auf Italienisch eingraviert ist: „Amor nel cor“. Emma schenkt Rudolf genau den gleichen Gegenstand.[6]

Der Eremit von Croisset

1855 lebt Flaubert einige Monate in Paris, aber trotz seines beginnenden literarischen Ruhms setzt er das einsiedlerische Leben als „Eremit“ in seinem Rückzugsort Croisset fort. Er arbeitet langsam und sorgfältig, mit Fleiß und Disziplin, häufig in langen Arbeitstagen von zehn bis sechzehn Stunden. Er versucht, eine Prosa zu verfassen, die objektiv, unpersönlich und realistisch ist und den verlorenen Glauben an die romantischen Ideale vermittelt.

Flaubert ist ein Perfektionist, der jahrelang und unermüdlich an einem Roman schreibt und den Text immer wieder verbessert. Er recherchiert das kleinste Detail der Geschichte und liest dafür viele Bücher und Dokumente. Der Schriftsteller feilt an seinen Sätzen und widmet sich der Suche nach dem einzig richtigen Wort, dem „mot juste“. Im letzten Drittel seines Lebens widmet er sich fast ausschließlich dem Schreiben, kehrt aber regelmäßig bis 1864 nach Paris zurück und besucht die literarischen Salons. Er freundet sich unter anderem mit George Sand, den Brüdern Goncourt, Victor Hugo, Théophile Gautier, Sainte-Beuve Baudelaire, Turgenjew, Daudet, Zola und de Maupassant an.[7] Er ist ein fleißiger Briefschreiber und legt in seiner umfassenden Korrespondenz unablässig Rechenschaft über sich selbst und über seine Schreibarbeit ab. Ab 1864 verreist Flaubert kaum noch, sondern arbeitet isoliert zu Hause. 

Salammbô und L'Éducation Sentimentale

Flaubert beginnt 1857 mit seinem nächsten Roman Salammbô über das antike Karthago zur Zeit des Ersten Punischen Krieges und arbeitet fünf Jahre an dem Manuskript. Er reist 1858 nach Algerien und Tunesien, um sich inspirieren zu lassen. Um der Geschichte Authentizität zu verleihen, betreibt er umfassende Recherchen, liest archäologische Fachliteratur und die Erzählungen der antiken Historiker. Das Werk findet nach seiner Erscheinung 1862 sofort eine große Leserschaft, wodurch Flauberts Erfolg und Ruhm steigen.

Erst sieben Jahre später lässt Flaubert seinen nächsten Gesellschaftsroman, L'Education sentimentale erscheinen. Anhand der Geschichte des jungen Jurastudenten Frédéric Moreau illustriert er das Scheitern politischer Ideale nach dem Ende der Revolution von 1848. Er schildert die Desillusionierung eines jungen Mannes, der aus der Provinz nach Paris kommt, und die Enttäuschung seiner revolutionären Hoffnungen erleben muss. 

Mit der detaillierten Beschreibung und der psychologischen Durchleuchtung verschiedener Milieus stellt der Gesellschaftsroman ein Sittengemälde dar. Im Werk schildert er genau und kommentiert ironisch die historischen Ereignisse um die Pariser Februarrevolution von 1848. Autobiografische Elemente, wie das Scheitern als Jurist sowie seine eigenen Erlebnisse während des Aufstandes lässt der Autor in die Erzählung einfließen. Das Buch, das 1869 wenige Monate vor dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 erscheint, wird nicht vom Publikum gewürdigt und der Autor ist davon sehr enttäuscht.[8] Auch seine nächste Erzählung La Tentation de Saint Antoine (Die Versuchung des heiligen Antonius, 1874) findet nicht die Gunst der Lesenden.

Ende der 1870er-Jahre gelingt es ihm zwar an die literarischen Erfolge anzuknüpfen,[9] aber in diesen Jahren sterben auch mehrere Freunde von Flaubert, wie zuvor bereits seine Mutter im Jahre 1872, was ihn sehr mitgenommen hat. Er hat des Weiteren finanzielle Probleme. Der Autor hat nie gelernt  mit Geld umzugehen. Sein Vermögen ist zuerst von der Mutter, dann von dem Mann seiner Nichte verwaltet worden. Der Bankrott von Carolines Ehemann im Jahr 1875 reißt Flaubert in dem Ruin, nachdem er helfend seinen gesamten Besitz verkauft hat, um die Schulden zu begleichen und seine Nichte vor der Entehrung zu bewahren.

1874 beginnt Flaubert mit seinem Alterswerk Bouvard und Pécuchet, einer Satire auf das französische Bürgertum. Der Roman bleibt unvollendet und wird erst im Jahr 1881 veröffentlicht. 1880 stirbt Gustave Flaubert im Alter von 58 Jahren in Croisset an den Folgen einer Hirnblutung.
 


[1] Gustaves älterer Bruder Achille wird wie sein Vater Arzt.

[2] Von seinem neunten bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr schreibt der Autor etwa dreißig Kolumnen, Kurzgeschichten, Märchen, Erzählungen, Romane und Theaterstücke. Mehrere davon werden erst nach seinem Tod publiziert.

[3] Élisa Schlésinger und ihr Mann waren die Vorbilder für Flauberts letzten vollendeten Roman Die Erziehung der Gefühle (1869).

[4] Auch Emma Bovary leidet unter einer Nervenkrankheit.

[5] Louis Napoleon Bonaparte, der Neffe des Kaisers Napoleon Bonaparte, wird am 10. Dezember durch allgemeine Wahlen für die Dauer von vier Jahren zum französischen Staatspräsidenten gewählt.

[6] Louise Colet drückte ihre Enttäuschung in einem Gedicht aus (Le Monde illustré, 29. Januar 1859).

[7] Die Korrespondenz mit der französischen Schriftstellerin George Sand, dem russischen Schriftsteller Iwan Turgenjew, dem Romancier Théophile Gautier und seinem literarischen Zögling Guy de Maupassant erscheinen postum unter dem Titel Correspondance.

[8] 1866 wird Flaubert zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen.

[9] In dieser schweren Periode werden die drei Novellen Trois Contes mit überraschend großem Erfolg zunächst in zwei Zeitungen und dann als Buch im Jahr 1877 veröffentlicht.

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