Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Die Handlung der Novelle „Im Krebsgang“ ist eine Verbindung realer historischer Ereignisse mit einer fiktiven Geschichte um die literarischen Figuren. Über mehr als 100 Jahre erstreckt sich die Gesamtheit der Handlungsstränge.

Sie beginnt im Jahre 1895 mit der Geburt Wilhelm Gustloffs am 30. Januar, setzt also bereits zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches an.

Die nächste Station bezieht sich dann auf die 1930er-Jahre. Am 30. Januar 1933 ergreift Adolf Hitler die Macht. Im gleichen Jahr wird die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) gegründet. Sie hat die Funktion, die Popularität der nationalsozialistischen Politik bei den Deutschen zu steigern, indem sie der deutschen Bevölkerung eine „kulturelle Betreuung“ während Arbeit, Freizeit und Urlaub gewährt. Die Gemeinschaft organisiert viele Nah- und Fernreisen für Arbeiter und Angestellte, zum Beispiel durch das Angebot von günstigen Pauschalreisen auf Kreuzfahrtschiffen wie der „Wilhelm Gustloff“. Sie veranstaltet vielfältige Freizeitevents und Zusammenkünfte auf den Gebieten Kunst, Unterhaltung, Sport und Brauchtum. Das Hakenkreuz inmitten eines Sonnenrades ist das Signet der Gemeinschaft. Die Idee für die Propagandaorganisation hatte Robert Ley, einer der führenden Politiker des Dritten Reiches. Seine Funktion wird auch in der Novelle auf einigen Seiten beschrieben (S. 38 ff.).

Die Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie betrifft nicht nur Deutschland. Auch im Ausland hat die NSDAP Abteilungen, die unter anderem dafür zuständig sind, dort neue Mitglieder anzuwerben. Der angesehene Leiter der schweizerischen Abteilung der NSDAP, Wilhelm Gustloff, wird 1936 in Davos von dem jüdischen Studenten David Frankfurter ermordet. Das Attentat erregt internationales Aufsehen. Die nationalsozialistische Propaganda erhebt Gustloff zum „Blutzeugen der Bewegung“. An seiner Begräbnisfeier in seiner Geburtsstadt Schwerin nimmt auch Hitler teil und hält eine Rede. Hitler entscheidet, das neueste und größte „Kraft durch Freude“-Schiff, das gerade im Bau ist und auf den Namen „Adolf Hitler“ getauft werden sollte, „Wilhelm Gustloff“ zu nennen.

Diese Ereignisse stellen wesentliche Hintergrundelemente der Handlung von Günther Grass‘ Novelle „Im Krebsgang“ dar. Die Webseite des jungen Protagonisten heißt zum Beispiel „Blutzeuge.de“ in Erinnerung an Wilhelm Gustloffs Ermordung. Wolfgang benutzt als Nickname David, den Vornamen des Mörders Wilhelm Gustloffs.

Die Novellenhandlung macht einen weiteren Halt im Jahr 1945, einige Monate vor der deutschen Kapitulation. An der Ostfront tobt zu dieser Zeit der Deutsch-Sowjetische Krieg. Die Rote Armee der Sowjetunion rückt immer weiter westwärts vor, bis in westpreußische Gebiete. Es kommt zu Massenvertreibungen und Strömen deutscher Flüchtlinge Richtung Westen. Schiffe wie die „Wilhelm Gustloff“ werden eingesetzt, um die Vertriebenen und Flüchtlinge vor der Roten Armee zu retten. Wieder kommt der 30. Januar ins Spiel. An diesem Tag des letzten Jahres des Zweiten Weltkrieges wird das Kraft-durch-Freude-Schiff „Wilhelm Gustloff“ durch das sowjetische U-Boot „S13“ torpediert und verse...

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