Günter Grass
Der junge Soldat
Am 16.10.1927 wird Günter Grass in Danzig geboren. Der Sohn aus einer Kaufmannsfamilie ist kein guter Schüler und muss die Schule öfter wechseln. Einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend erlebt Grass während der Zeit des Dritten Reiches. 1944, als er 17 Jahre alt ist, meldet er sich freiwillig zur U-Boot-Truppe, doch diese nimmt niemanden mehr an. Zu dieser Zeit werden alle Freiwilligen, unabhängig von ihrer Eignung, zur Waffen-SS einberufen. Das betrifft auch Grass. Er wird Luftwaffenhelfer und beginnt im Herbst mit einer Tätigkeit in der SS-Panzerdivision „Frundsberg“. 1945 wird Grass in Cottbus verwundet und kommt bis 1946 in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Dieser Abschnitt seines Lebens kommt erst ans Licht, als Grass 2006 in einem Interview mit der FAZ darüber spricht, kurz bevor sein autobiografisches Werk „Beim Häuten der Zwiebel“ erscheint. Es kommt zum Skandal – wohl weniger des Faktums wegen, dass Grass als Jugendlicher Mitglied der SS war, sondern eher, weil er dies so lange verschwiegen hatte. In seinen bisherigen Biografien hatte Grass es so dargestellt, als sei er als Flakhelfer eingezogen worden und dann einfacher Soldat gewesen. Diese Bekanntmachung hat für Grass zur Folge, dass seine Rolle als moralische Institution in der BRD angezweifelt wird, die er sich über viele Jahrzehnte erarbeitet hatte. 2007 veröffentlicht er sein Lyrikband „Dummer August“, die eine Abrechnung mit seinen Kritikern ist.
Der erste schriftstellerische Erfolg
Um ohne Schulabschluss eine Chance auf ein Kunststudium zu haben, macht Grass nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst eine Steinmetzlehre. Danach schafft er es, an der Kunstakademie Düsseldorf vier Jahre lang Grafik und Bildhauerei zu studieren. Er setzt sein Studium anschließend drei Jahre lang in Berlin fort. Grass heiratet im Alter von 27 Jahren die Tänzerin Anna Margareta Schwarz. Die Ehe hält 24 Jahre, und es gehen vier Kinder daraus hervor.
Nach seinem Studium beginnt Grass, sich auch auf dem Feld der Literatur zu betätigen. Sein erster Gedichtband erscheint im Jahre 1956. In diesem und dem folgenden Jahr hat Grass auch seine ersten Kunstausstellungen in Berlin und Stuttgart. Der Autor schreibt außerdem Theaterstücke. Sein erstes Bühnenstück „Onkel, Onkel“ wird 1958 uraufgeführt. Er selbst bezeichnet seine Stücke als absurdes und poetisches Theater. In diesem Jahr zeigt Grass den Mitgliedern des Schriftstellertreffens der Gruppe 47 sein Manuskript des Romans „Die Blechtrommel“. Sie verleihen ihm dafür einen Preis, der damals 4.400 D-Mark wert war. Dieser Preis ermöglicht es Grass, nach Paris zu reisen. Er empfindet den Preis heute noch als wichtiger als seinen Literaturnobelpreis.
„Die Blechtrommel“ erscheint im Jahre 1959 und wird ein riesiger Erfolg. Grass wird durch dieses Romandebüt in kürzester Zeit weltberühmt. Das Buch wird später von Volker Schlöndorff verfilmt, und auch diese Verfilmung ist bis heute einer der bekanntesten deutschen Filme.
Der Sozialdemokrat
Nach seinem Erfolgsdebüt legt Grass in den folgenden Jahren auf dem Feld der Prosa nach: Die Novelle „Katz und Maus“ erscheint 1961, der Roman „Hundejahre“ zwei Jahre später. In den 1960er-Jahren zeigt Grass viel politisches Engagement, was sich auch in seinen Werken widerspiegelt (z. B. „Die Plebejer proben den Aufstand“, 1966). Er unterstützt die SPD im Wahlkampf und ist mit Willy Brandt befreundet. Mit dem damaligen Westberliner Bürgermeister und späteren Bundeskanzler reist Grass nach New York zur Weltausstellung (1964), nach Warschau (1970) und nach Israel (1974). In den 1970er-Jahren wird es politisch ruhiger um Grass. Der Autor heiratet 1979 die Organistin Ute Grunert.
Anfang der 1980er-Jahre, als die Stationierung der Pershing-2-Raketen in der BRD beschlossen werden soll, wird Grass wieder aktiver. Er ist, zusammen mit anderen Künstlern, Autoren und Wissenschaftlern, Mitunterzeichner des Heilbronner Manifests, das zur Wehrdienstverweigerung aufruft. Außerdem wird er Mitglied in der SPD. Sein neuer Roman „Die Rättin“ (1986) beschäftigt sich mit der atomaren Zerstörung der Menschheit.
Nach der deutschen Wiedervereinigung hält Grass im Jahre 1990 eine Rede mit dem Titel „Kurze Rede eines vaterlandslosen Gesellen“, die in der ZEIT abgedruckt wird. In dieser Rede kritisiert er die absolute Vereinnahmung der DDR durch die Bundesrepublik. Mit dem Thema der Wiedervereinigung beschäftigt sich auch sein Roman „Ein weites Feld“ (1995).
Der engagierte Schriftsteller
Der Schriftsteller bleibt stets rebellisch und handelt oft konsequent, um Zeichen zu setzen. Weil die AdK Berlin aus Sicherheitsgründen eine Solidaritätsveranstaltung für seinen verfolgten Schriftstellerkollegen Salman Rushdie absagt, tritt Grass 1992 aus der SPD aus, weil diese im Bundestag einer Verschärfung des Asylrechtes im Grundgesetz zustimmt, die den Zustrom von Asylanten nach Deutschland einschränken soll. Er engagiert sich dennoch immer wieder bei SPD-Wahlkämpfen, insbesondere 1998, 2002 und 2005 für Gerhard Schröder.
1999 bringt Grass den Roman „Mein Jahrhundert“ heraus. Im selben Jahr wird ihm der Literaturnobelpreis für sein Lebenswerk verliehen. 2002 erscheint die Novelle „Im Krebsgang“, welche ein geschichtliches Ereignis aus verschiedenen Perspektiven der Angehörigen unterschiedlicher Generationen bearbeitet. Dieser geteilte Blick ist eine für Grass typische Herangehensweise an die Bearbeitung der Geschichte. 2005 wird Grass nochmals geehrt. Er bekommt den Ehrendoktortitel der FU Berlin. Nicht alles, was Grass an Kunst veröffentlicht, ist politischer Natur. Der Gedichtband „Letzte Tänze“ (2007), der auch viele Zeichnungen enthält, ist z. B. eher dem Bereich Erotik zuzuordnen.
Der letzte Skandal um Grass wurde ausgelöst durch sein Gedicht „Was gesagt werden muss“. In diesem Gedicht von 2012 kritisiert Grass, dass in den westlichen Medien der Iran häufig als potentielle nukleare Bedrohung dargestellt wird, während sich kaum über die mögliche Gefahr, die von Israel ausgehe, geäußert würde. Statt darauf das Augenmerk zu richten, sei nun sogar die Lieferung eines U-Boots von Deutschland an Israel geplant. Israel, so Grass in seinem Gedicht, stelle als Atommacht eine Bedrohung für den Weltfrieden dar, zu der sich niemand äußern wolle. Grass wurde daraufhin vermehrt Antisemitismus vorgeworfen, doch er hat dies stets zurückgewiesen. In Israel wurde der Schriftsteller zur unerwünschten Person erklärt. Er selbst äußerte später, das Gedicht sei eine „Torheit“ gewesen, aber eine, die es nötig gewesen sei, zu begehen.
Grass hört nicht auf, auch im hohen Alter, sich politisch-kritisch zu äußern und mit teilweise provokanter Kunst Aufsehen zu erregen. Er verschafft sich im Jahre 2014, im Alter von 86 Jahren, international Gehör als Kritiker der NATO, der ökonomischen Ausrichtung und demokratischen Mängel der EU, der Überwachungskultur und des europäischen Waffenhandels.
Günter Grass lebt von 1987 bis zu seinem Tod in Behlendorf etwa 25 Kilometer südlich von Lübeck, wo sich das Günter-Grass-Haus befindet.[1]Er stirbt am 13. April 2015 im Alter von 87 Jahren in einem Lübecker Krankenhaus an den Folgen einer Infektion, und wird ein paar Wochen später auf dem Friedhof von Behlendorf beigesetzt.
[1] Das Günter-Grass-Haus verfügt über eine Sammlung mit mehr als 1.300 bildkünstlerischen Originalwerken sowie zahlreichen Manuskripten.

Florian K, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
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