Neid
Habgier
Gottfried Kellers Novelle Romeo und Julia auf dem Dorfe wird in einer gesellschaftlichen Umbruchssituation geschrieben, die durch den Wegfall bäuerlicher Leibeigenschaft einerseits und durch das Streben nach größtmöglicher Gewinnmaximierung und durch steigenden Konkurrenzdruck andererseits gekennzeichnet ist (siehe Kapitel „Zeitgeschichtlicher Hintergrund“). Somit ist die ausbrechende Rivalität zwischen den beiden Bauern Manz und Marti durch die gesellschaftlichen Umstände und das damit einhergehende Profitstreben mitbedingt.
Zu diesen äußerlichen Gründen gesellt sich bei Manz und Marti auch noch eine charakterliche Schwäche hinzu, die sie vollends der Gier und Habsucht verfallen lässt. Dies wird bereits in ihrem Gespräch zu Beginn der Novelle deutlich, in dem sie nicht nur ihren Neid auf das umfangreiche Essen der Stadtbevölkerung zum Ausdruck bringen: „Die Lumpenhunde von Seldwyl kochen wieder gut!“ (S. 5), sondern auch ihr Besitzinteresse an dem mittleren Acker zumindest auf indirekte Weise kundtun: „Schad ist es aber doch, dass der gute Boden so daliegen muss“ (S. 6).
Das Interesse der beiden Landwirte ist nicht etwa auf die Pacht des verwilderten Ackers, der zwischen ihren Feldern liegt, ausgerichtet, die keinen wesentlichen Gewinn verspricht (S. 5f.). Sie wollen lieber den Acker kaufen, um sich selbst an dem fremden Grund und Boden zu bereichern. Allerdings soll der Acker so lange nicht zum Verkauf angeboten werden, „bis sich entschieden habe, wem der Acker gehöre und was mit ihm anzufangen sei“ (S. 6).
Landraub
Als besonders verwerflich erscheint das Verhalten der beiden Bauern Manz und Marti vor dem Hintergrund, dass ihnen sehr wohl bekannt ist, wer der rechtmäßige Besitzer jenes Ackers ist: „Wenn ich den schwarzen Geiger ansehe, der sich bald bei den Heimatlosen aufhält, bald in den Dörfern zum Tanz aufspielt, so möchte ich darauf schwören, dass er ein Enkel des Trompeters ist, der freilich nicht weiß, dass er noch einen Acker hat“ (S. 6). Ihre Untätigkeit rechtfertigen sie jedoch z...