Krieg und Frieden

Ozeanien im Kriegszustand

Seit der Machtübernahme der Partei um 1960 herrscht in Ozeanien ein dauerhafter Kriegszustand. Für den Großteil der Bevölkerung bedeutet das, dass sie diverse Mangelerscheinungen in Kauf nehmen müssen: „Alle naslang fehlte irgendein Bedarfsartikel, den die Parteiläden nicht beschaffen konnten“ (S.63). Außerdem fallen in unregelmäßigen Abständen Raketenbomben auf die Stadt, deren Verwüstung nicht beseitigt wird. Überall gibt es „zerbombte Stätten“ (S.9) und Einschlagslöcher, an denen „erbärmliche Siedlungen von Holzbehausungen“ (S.9) nachgebaut werden.

Es werden zwar keine Bevölkerungsgruppen für den Krieg eingezogen, aber trotzdem wird die gesamte Gesellschaft auf Kriegshysterie gedrillt (siehe Epoche „Krieg“). In den Teleschirmen laufen tagtäglich Meldungen von der Front, gegen den jeweiligen Kriegsfeind wird im Rahmen des Zwei-Minuten-Hasses oder von extra veranstalteten Hasswochen gehetzt. Außerdem werden die vermeintlichen Soldaten als Helden Ozeaniens gefeiert. An sie kann appelliert werden und sie können als ruhmreiche Vorbilder für den Rest der Bevölkerung dienen. Während der Morgengymnastik am Teleschirm sagt die Anleiterin beispielsweise: „Wir genießen nicht alle das Privileg, an vorderster Front zu kämpfen, aber wir können uns zumindest fit halten. Denkt an unsere Jungs an der Malabar-Front! […] Denkt nur mal dran, was sie erdulden müssen“ (S.48).

In diesem Klima sollen Bürger gedeihen, deren „vorherrschende Emotionen Angst, Hass, Speichelleckerei und orgiastischer Triumph sind“ (S.232). Für die Partei ist der Krieg folglich kein Hindernis, das es zu beseitigen gilt, sondern ein wünschenswerter Zustand: „Es spielt dabei keine Rolle, ob der Krieg tatsächlich stattfindet, und da ein endgültiger Sieg nicht möglich ist, spielt es auch keine Rolle, ob der Krieg günstig oder ungünstig verläuft. Es reicht, dass ein Kriegszustand existiert“ (S.232). Mit seiner Hilfe soll nicht zuletzt die hierarchische Gesellschaftsordnung aufrechterhalten werden (siehe Analyse „ Goldsteins Buch / Krieg ist Frieden“).

Ein vorgetäuschter Kriegszustand?

Im Roman wird Anlass dafür gegeben, den Kriegszustand als solchen anzuzweifeln. Im Gegensatz zu Winston stellt Julia seine bloße Existenz infrage. Sie macht die Regierung für die Bombenangriffe auf die Stadt verantwortlich, die damit „die...

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