Erzählperspektive

Subjektivität des personalen Erzählers

George Orwell verwendet in 1984 die Perspektive eines personalen Erzählers, der das Geschehen aus Winstons Perspektive schildert. Alle Handlungen, Gedanken und Gefühle werden aus der subjektiven Sichtweise von Winston Smith wiedergegeben. Die einzigen beiden Ausnahmen bilden die zahlreichen Dialoge und der lange Auszug aus Goldsteins Buch.

Die Erzählung wird fast kontinuierlich durch die Wahrnehmung von Winston Smith gefiltert. Das bedeutet, dass der Leser an keiner Stelle mehr weiß als er. Jeder andere Charakter wird durch seine Sicht beschrieben und vorgestellt. Deshalb erliegt der Leser notgedrungen auch Winstons falschen Einschätzungen: Von Julia glaubt er anfangs, sie könnte eine Agentin der Gedankenpolizei sein, die es auf ihn abgesehen hat (S.17), und O’Brien hält er für einen potenziellen Widerständler (S.18).

Beide Vermutungen entpuppen sich als falsch: Julia befindet sich innerlich im Widerstand gegen die Partei und O’Brien ist ein Mitglied der Gedankenpolizei. Das erfährt der Leser jedoch erst im selben Moment wie Winston. Dadurch bleibt die ganze Zeit über ein gewisser Spannungsbogen erhalten: Ständig könnten neue Erkenntnisse über Personen und Ereignisse enthüllt werden.

Der Leser erfährt nur das, was Winston weiß. All die Unwissenheit, unter der Winston leidet, überträgt sich auf ihn. Wenn Winston nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es wirklich das Jahr 1984 ist (S.13), dann hat der Leser ebenfalls keine Möglichkeit, das genaue Datum festzustellen. Und wenn sich der Protagonist hinsichtlich der gesellschaftlichen Situation in Ozeanien im Unklaren befindet, gilt dies auch für den Leser: „Es war wie eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Es konnte durchaus sein, dass buchstäblich jedes Wort in den Geschichtsbüchern, auch die Dinge, die man unbedenklich glaubte, pure Phantasie waren“ (S.93).

Selbst Winstons Werdegang lässt sich schwerlich objektiv nachverfolgen. Als er im Ministerium für Liebe gefangen gehalten wird, verliert er den Überblick über die Zeit: „Seit dem Augenblick seiner Verhaftung hatte er weder Dunkelheit...

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