Religion
Woyzeck
Glaube und Autoopferung
Auch wenn sich bei „Woyzeck“ nicht um ein Drama handelt, in dem der christliche Glaube im Zentrum der Handlung steht, so ist das Werk doch durchzogen von religiösen Verweisen und Anspielungen. An mehreren Stellen finden sich Passagen aus der Bibel (vgl. dazu Analyse/Intertextualität). Die beiden Protagonisten Woyzeck und Marie sind religiös ausgestaltet, da sie beide mehrmals und zentral an Gott und Teufel referieren. Schon der Name ihres gemeinsamen Kindes Christian zeigt ihre Verwurzelung im christlichen Glauben.
Woyzeck stammt aus einer gläubigen Familie, da er von seiner Mutter eine Bibel und Heiligenbilder erbt und dieses Besitzstück somit eine wichtige Rolle in ihrer Familie gespielt hat, da es neben einem Kleidungsstück sein einziger Besitz ist (S. 33). Er lebt eine sehr bodenständige Religiosität.
Schon in der ersten Szene zeigt Woyzeck eine christliche Einstellung, da er gut mit der Bibel vertraut ist. In seiner ersten Aussage bezieht er sich auf Matthäus 12,40. Er verknüpft im weiteren Verlauf der Szene eine Passage aus der Offenbarung des Johannes mit den Halluzinationen, unter denen er aufgrund der Folgen seiner Erbsendiät leidet: „Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen.“ (S. 9).
Im Gespräch mit dem Doktor berichtet der einfache Soldat ebenfalls von apokalyptischen Visionen, Wiese wie sie im Johannesevangelium beschrieben werden. Es erscheint ihm so, dass „die Welt im Feuer auf[geht]“ (S. 22) und „eine fürchterliche Stimme“ (S. 22) zu ihm spricht. Die Verknüpfung mit biblischen Elementen verdeutlicht, dass die Bibel eine präsente Position in seinem Leben einnimmt.
Gleichzeitig verweisen das Zitat zu Beginn der Handlung und die Anspielung in der achten Szene darauf, dass es zu einer Katastrophe kommen wird, welche die bestehenden Verhältnisse vollständig zerstört. Darauf verweist auch seine Reaktion, als er von Maries Betrug erfährt: „...die Erd ist höllenheiß, mir eiskalt, eiskalt, die Hölle ist kalt, wollen wir wetten.“ (S. 25).
Auch wenn Marie und Woyzeck aus finanziellen Gründen nicht miteinander verheiratet sind, weil es ihnen verboten ist, so führen sie doch eine eheähnliche Gemeinschaft. Der selbstlose Woyzeck sorgt sich um seine Geliebte und unehelichen Sohn, arbeitet hart, um ihnen einen Lebensunterhalt zu verschaffen, und ist dafür auch dazu bereit, Demütigungen, ohne sich zu beklagen, hinzunehmen. Seine eigenen Bedürfnisse stellt er stets hinten an. Seine Aufopferung geht so weit, dass er auch gesundheitliche Gefährdungen, ohne zu klagen, hinnimmt. Die Tatsache, dass er sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, um Marie und Christian zu unterstützen, erinnert an die Aufopferungsbereitschaft Jesu.
Woyzecks Abwendung vom christlichen Glauben
Schon die dritte Szene des Dramas endet damit, dass Marie, geschmeichelt von dem Interesse des Tambourmajors, ihren Woyzeck verlässt, um gesellschaftlich auf den ersten Platz zu klettern. Sie nähert sich in der dem Tambourmajor damit körperlich an und bekommt später von ihm goldene Ohrringe geschenkt, welche den Verdacht von Woyzeck in der 4. Szene erwecken.
In der 7. Szene konfrontiert er mehrmals seine Freundin mit seiner Vermutung, dass sie ihm untreu gewesen ist, da er sie zusammen mit dem Tambourmajor gesehen hat. Marie lügt und streitet alles ab. Für Woyzeck wäre ihre Untreue in seinen Augen eine „Todsünde“ (S. 20) ist, die für ihn so „stinkt[...