Sprache
Die Sprache der Revolutionäre
Klassische Zitate
Die Sprache der Dantonisten ist von deren klassischer Bildung geprägt und gespickt mit Referenzen zur lateinisch-griechischen Literatur und Geschichte, darunter zu „Socrates“ (I,1), den „Bacchantinnen“ (I,1), dem „Minotaurus“ (I,4) und „Adonis“ (I,5) um nur einige zu nennen. Dieses gemeinsame Wissen macht sie zu einer Zitatgemeinschaft, die für ihren Stand eine Art Statussymbol darstellt und sie vom ungebildeten, gemeinen Volk (und leider auch einem Großteil der heutigen Leserschaft) abgrenzt. Sie sind sprachlich wendig und zeigen mit ihrem spielerischen Umgang mit Sprache Intelligenz und Esprit.
Durch den meisterlichen Umgang mit Sprache kann das Gesagte einen tieferen Sinn bekommen, z.B. wenn Camille kurz vor seiner Hinrichtung zum Fuhrmann sagt: „Da alter Charon, dein Karren ist ein guter Präsentierteller. Meine Herren, ich will mich zuerst servieren.“ Dabei vergleicht er in einem leichten Ton seine Fahrt auf dem Karren zum Richtplatz mit der mythologischen Überfahrt in das Reich der Toten und beschreibt sich gleichzeitig als Opfergabe bzw. als Mahlzeit für das hungernde, blutgierige Volk.
Doch das Spiel mit der klassischen Bildung kann auch in frivoler Oberflächlichkeit stecken bleiben, wie zum Beispiel dann, wenn Lacroix den Witz „Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen Adonis?“ (I,5) zum Besten gibt.
Inhalt und äußere Form
An anderer Stelle wird das elegante Formulieren zum Selbstzweck: In II,1 erklärt Danton seinen Freunden in tiefem Ernst, klaren Worten und schlichten Sätzen, warum er nicht gewillt ist zu handeln:
„Wir haben nicht die Revolution, sondern die Revolution gemacht. Und wenn es ginge – ich will lieber guillotiniert werden, als guillotinieren lassen. Ich hab es satt, wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen? Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe haben. Es wurde ein Fehler gemacht, wie wir geschaffen worden, es fehlt uns was, ich habe keinen Namen dafür, wir werden es uns einander nicht aus den Eingeweiden herauswühlen, was sollen wir drum die Leiber aufbrechen? Geht, wir sind elende Alchymisten.“ (II,1)
Camille – der anscheinend weniger auf die Bedeutung der Worte geachtet hat als auf den Sprachstil – bietet sofort rhetorisch aufgerüstete, bildreiche Varianten an:
„Pathetischer gesagt würde es heißen: wie lange soll die Menschheit im ewigen Hunger ihre eigenen Glieder fressen? oder, wie lange sollen wir Schiffbrüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut aus den Adern saugen? oder, wie lange sollen wir Algebraisten im Fleisch beim Suchen nach dem unbekannten, ewig verweigerten x unsere Rechnung mit zerfetzten Gliedern schreiben?“ (II,1)
Hier wird die äußere Form wichtiger als der Inhalt.
Prägnante Glaubenssätze
Doch was passiert, wenn die Bemühungen um die äußere Form und Effekthascherei den Blick auf die Konsequenzen verstellen? Camilles Zeitungsartikel, in dem er Robespierre kunstvoll zu einem „Blutmessias“ stilisiert, ist der Tropfen, der für Robespierre das Fass zum Überlaufen bringt und den Anstoß zur Verhaftung der Dantonisten gibt – auch wenn Camille naiv auf seine alte Freundschaft mit Robespierre vertraute.
In der Gefängnisszene III,3, in der Danton und Lacroix mit der großen Anzahl und dem Elend der Gefangenen konfrontiert werden, stellt Mercier ihnen vor Augen, dass all dies auf ihre revolutionären Reden zurückzuführen ist. Seiner Meinung nach zielen die Rhetoriker der Revolution auf den Beifall ihrer Zuhörer:
„aber sie hören nicht daß jedes dieser Worte das Röcheln eines Opfers ist. Geht einmal euren Phrasen nach, bis zu dem Punkt wo sie verkörpert werden. ...