Das bürgerliche Trauerspiel ”Kabale und Liebe“ feierte bei seiner Uraufführung einen Triumph auf der Bühne. Es spielt in der zeitgenössischen Gegenwart und kann aus mehreren Gründen als politisches und soziales Drama gedeutet werden. Schillers Gesellschaftskritik richtet sich nicht nur gegen den Herzog, sondern auch gegen das Mätressenwesen und den Soldatenhandel.
Wir haben das Stück auf die wichtigsten Themen hin untersucht und stellen Euch mehrere Interpretationsansätze vor, die nach Themen sortiert und mit Textstellen belegt sind. Nach der Untersuchung Schillers als politischen Dichters wird die bürgerliche Welt, die im Stück zuerst durch die Familie Miller repräsentiert wird, unter die Lupe genommen. Das Thema ”Religiosität und Moralität” wird am Beispiel der frommen Luise und ihres Vaters, aber auch anhand der anstößigen Sitten am Hof beleuchtet.
Die Liebe ist ein zentrales Thema im Stück. Die Liebe von Luise und Ferdinand, die Liebe von Lady Milford, aber auch die Vaterliebe werden im Zusammenhang mit der damals herrschenden Ständeordnung, dem christlichen Glauben und den zeitgenössischen moralischen Werten dargestellt.
Auszug aus dem Text
Luise ist mehrmals in dem Drama im Zwiespalt mit sich selbst. Sie steht im Zentrum und muss wählen zwischen ihrer Liebe zu ihrer Familie, zu Ferdinand oder zu Gott. Als Ferdinand versucht, sie zu einer Flucht zu überreden, lehnt Luise ab. Sie befürchtet die Rache des Präsidenten und ein ganzes frevelhaftes Leben auf der Flucht. Sie empfindet auch Verantwortung ihren Eltern gegenüber und kann sie nicht so verlassen. Ihr Liebe zu ihrem Vater ist zu groß, um ihn allein bleiben lassen. Gleichzeitig kann sie ohne Ferdinand nicht leben. Schon am Anfang des Dramas hat Luise eingesehen, wie schwierig ihre Verbindung zu ihrem Geliebten wegen der Standesunterschiede sein könnte, und sie glaubt nicht, dass der Präsident ihrer Beziehung zustimmen werde. Die unmögliche Beziehung mit Ferdinand aufgrund von Standesschranken lässt sie eine dramatische Entscheidung fassen: Sie will Selbstmord begehen. Doch noch einmal ist die Liebe zu ihrer Familie wichtiger, und sie entscheidet sich schließlich gegen den Suizid. In der Bibel und in ihrer Liebe zu ihrem Vater sind die wahren Gründe für Luises Verhalten zu finden, die Ferdinand leider nicht verstehen kann.
Ferdinands stürmische Liebe verstößt gegen die damals zu beachtende Standesschranke. Er ist bereit, für seine absolute Liebe mit allen Mitteln und gegen alle Widerstände zu kämpfen, sich nicht nur gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern auch gegen die Obrigkeit und die familiäre Autorität seines Vaters aufzulehnen. Seine Liebe werde alle Grenzen überwinden. Ferdinand versteht die moralischen Gedanken nicht, die Luises Handeln bestimmen, und ignoriert ihren Kummer. Seine Idealvorstellung von der Liebe und der Frau seines Herzens ist ihm überaus wichtig. Er verliert im Laufe des Stücks immer mehr den Realitätsbezug. Seine selbstzerstörerische Leidenschaft für Luise leitet ihn auf den grausamen Weg der endgültigen Zerstörung. Als Luise seine Fluchtpläne ablehnt, verwandelt sich seine Liebe zu wahnsinniger Eifersucht. Gefangen in seiner Gedankenwelt und geblendet von seinen Gefühlen, betrachtet er Luises Verzicht als Verrat. Er wird böse und mörderisch. Seine unmögliche Liebe führt ihn und Luise zum Tode.
Ferdinand ist im ganzen Drama einsam. An Lady Milford, die ihm ihr Herz anbietet und mit ihm flüchten will, hat er kein Interesse. Ferdinand und Lady Milford haben eigentlich viel Gemeinsames: ihre Jugend, ihre politische Haltung und ihren Idealismus. Ferdinand und Lady Milford teilen aber nicht die gleichen warmen Gefühle füreinander. Sie nähern sich einander kurz und trennen sich rasch wieder. Ferdinands Vater ist ihm auch keine Hilfe. Die Liebe des Präsidenten für seinen Sohn ist kalt und gefühlslos. Die Beziehung zwischen Luise und Ferdinand betrachtet er als eine Affäre. Für ihn ist eine Ehe eine taktische Wahl, ein Mittel zum Zweck, um seine Macht und seinen Einflussbereich auszuweiten. Für seinen Sohn hat er große Zukunftspläne, von denen er selbst profitieren will. Er verfolgt eigene Ziele, und Ferdinand ist für ihn dafür ein Mittel zum Zweck. Er soll auch einmal Präsident werden. Die Liebe bedeutet für den Präsidenten nur Scheinliebe oder Nutzliebe. Er ignoriert wie Miller die Gefühle der zwei jungen Verliebten und führt sie mit seinen Intrigen unerbittlich zum tragischen Ende.