„Kammerdienerszene“ Akt 2, Szene 2

Die Kammerdienerszene ist die berühmteste, meist zitierte und kontroverseste Szene von Schillers Meisterwerk „Kabale und Liebe“, das im April 1784 in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde. Um die große Wichtigkeit dieser Szene für das ganze Drama verstehen zu können, muss man unbedingt den historischen Hintergrund und die Entstehungsgeschichte des bürgerlichen Trauerspiels genau betrachten. Die Kammerdienerszene wirft einen Blick auf die Zustände am herzoglichen Hof und stellt scharfen politischen Sprengstoff dar. Sie wurde bei der Aufführung im Mannheimer Hof- und Nationaltheater zensiert. In dieser Szene beschränkt sich Schiller nicht auf allgemeine oder fiktive Begebenheiten, sondern beschreibt zeitgenössische und konkrete Missstände.

Absolutismus und Verschwendung

Schiller lebt zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus, in der sich die Herrscher als Diener des Staates begreifen und sich nicht mehr durch „Gottes Gnaden“ legitimieren. Friedrich von Preußen (1712-1786) versucht, in Deutschland in seiner Regierung die Gedanken der Aufklärung umzusetzen. Die Ständeschranken bleiben jedoch unverändert bestehen. Der Adel regiert weiter über die Untertanen.

Deutschland besteht zu dieser Zeit noch aus zahlreichen souveränen, feudalen Staaten, die eigene Heere, Justiz- und Verwaltungsorgane haben und die sich noch weigern, die neuen, aufklärerischen Ideen zu übernehmen. In Württemberg, wo Schiller in seiner Jugend lebt, regiert Herzog Karl Eugen über 600.000 Einwohner. Der Herzog hat den französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV als Vorbild. Der große württembergische Hof ist prächtig. Feste, Bälle, Opern- und Ballettaufführungen mit den besten Künstlern Europas unterhalten zweitausend Höflinge, die sich permanent am Hof befinden. Der Herzog lässt sich neue Residenzen wie das Lustschloss Solitude bei Stuttgart errichten, um der Mittelpunkt Europas zu werden. Das Luxusleben, die Pracht und die Verschwendung des Hofes – um dies bezahlen zu können, presst der Herzog seine Untertanen finanziell aus und verpflichtet sie zum Beispiel zu unbezahlten Hilfsdiensten. Der Herzog zieht die Steuerschraube an und muss mit Soldatenhandel seinen immensen Geldbedarf decken. In der Kammerdienerszene kritisiert Schiller diese Verhältnisse.

Politik und Zensur

1781 veröffentlicht Schiller anonym das Drama „Die Räuber“ im Selbstverlag und mit fingiertem Druckort. Um das Stück weniger kontrovers wirken zu lassen und einen Disput mit der damaligen Herrschaft zu vermeiden, versetzt Schiller die Handlung in die Ritterepoche. Im Alter von 19 Jahren, am 13. Januar 1782, erlebt Schiller inkognito die Uraufführung seines Stückes im Mannheimer Hof- und Nationaltheater. Es ist ein überwältigender Erfolg. Mit einem Schlag wird er als Schriftsteller bekannt. Unerlaubt reist er im Mai 1782 wieder nach Mannheim, um eine Anstellung als Theaterdichter zu verhandeln. Bei seiner Rückkehr wird er verhaftet und zu 14 Tagen Haft verurteilt. Schon während seines Arrests soll Schiller die ersten Pläne...

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