Verantwortung, Schuld und Rache
Die gestörte Mahrtenehe
Das Motiv der gestörten Mahrtenehe geht auf den Germanisten Friedrich Panzer zurück und wurde vom französischen Historiker Claude Lecouteux präzisiert. Der Terminus wurde Ende des 19. Jahrhunderts, also erst nach Fouqués »Undine« (1809), entwickelt, lässt sich jedoch auf dieses Werk anwenden. Er bezeichnet eine mit bestimmten Regeln belegte Liebesbeziehung zwischen einer sterblichen männlichen Person und einem weiblichen verführerischen Fabelwesen. Dem Mann wird ein Heirats-, Sicht- oder Redeverbot auferlegt, dessen Übertretung seinen Tod zur Folge hat.
Fouqué übernimmt seine Variante der Mahrtenehe aus Paracelsus‘ naturphilosophischer Schrift »Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris, et de caeteris spiritibus« (1566) (vgl. Kapitel „Epoche“, Abschnitt „Quellen“). Demnach seien Wasserfrauen dazu verpflichtet, durch die Heirat mit einem Menschen eine Seele zu erlangen.
Die Beziehung ist mit einem doppelten Tabu konfrontiert. Der Mann darf die Nixe weder auf dem Wasser beschimpfen noch eine andere Frau heiraten. Beide Regeln hängen miteinander zusammen: Sofern die Nixe in Wassernähe gescholten wird, kehrt sie in ihr Element zurück und der Mann läuft Gefahr, sie für tot zu halten. Umso größer ist die Versuchung für ihn, erneut zu heiraten. Die auf dem Trugschluss basierende Untreue ist schließlich sein Todesurteil.
Das tragische Ende der Mahrtenehe ergibt sich zum einen aus der Unfähigkeit des Mannes, die ihm auferlegten Regeln zu befolgen. Zum anderen sind die Diskrepanzen zwischen Mensch und Fabelwesen zu groß. Dies zeigt sich unter anderem in den zwiegespaltenen Gefühlen des Ritters, der sich von seiner übernatürlichen Frau gleichermaßen angezogen wie abgestoßen fühlt (vgl. Abschnitt „Liebe und Ehe – Zwischen Liebe und Zweifeln“). Nicht zuletzt verbergen sich hinter dem Terminus Mahrtenehe charakteristische Albträume des Mannes, die das Unglück der Beziehung vorausdeuten.
Huldbrands Ignoranz
Den Gesetzen der Mahrtenehe entsprechend, hängt das Scheitern der Liebe zwischen Huldbrand und Undine wesentlich vom Verhalten des Mannes ab. Ihm wird eine resp...