Die Dreiecksbeziehung

Huldbrand zwischen zwei Frauen

Fouqués männliche Hauptfigur, der Ritter Huldbrand, verkörpert nicht nur das Klischee eines mittelalterlichen Helden, sondern zeichnet sich vor allem durch seine zwiespältigen Gefühle aus. Während der Geschichte fühlt er sich abwechselnd zu dem bürgerlich-konservativen Menschenkind Bertalda und der geheimnisvollen Wasserfrau Undine hingezogen und damit hin- und hergerissen. Die Motive für sein Gefühlschaos lassen sich auf den ersten Blick nicht immer nachvollziehen, zumal er sich mitunter binnen kürzester Zeit umentscheidet.

Der Chronologie der Handlung folgend, macht Huldbrand zuerst Bekanntschaft mit Bertalda. Die beiden stammen aus derselben Gegend und lernen sich bei einem Ritterturnier in der Reichsstadt kennen. Fouqués Leser erfahren von dieser Begegnung erst nachträglich durch eine rückblickende Erzählung des Ritters (vgl. viertes Kapitel).

Weil Bertalda von Huldbrand das Bestehen einer Mutprobe verlangt, reitet er in den berüchtigten Zauberwald und landet dank Kühleborns Zutun bei Undine auf der Fischerinsel. Die atemberaubende Schönheit der jungen Wasserfrau zieht ihn sogleich in den Bann. Es ist vor allem ihre kindlich-unbefangene Art, in die er sich verliebt. Anders als bei Bertalda ist nicht er der Werbende, sondern Undine macht ihm den Hof. Auch sonst ist die Unterschiedlichkeit der beiden Frauen unverkennbar (vgl. Abschnitt „Undine und Bertalda“).

Huldbrand erzählt Undine freimütig von seiner Begegnung mit Bertalda, woraufhin die Wasserfrau zunächst eifersüchtig reagiert (vgl. S.24). Der Ritter beschreibt Bertalda daraufhin als „hochmütige, wunderliche Maid“, die ihm „am zweiten Tage schon lange nicht mehr, wie am ersten, und am dritten noch minder“ gefallen habe (S. 24). Auch wenn Huldbrand in diesem Zusammenhang absichtlich übertreibt, um Undine zu besänftigen, wird deutlich, dass seine Gefühle für die Wasserfrau zu diesem Zeitpunkt stärker sind als für Bertalda. Zwar treten bald schon erste Zweifel auf, sobald Undines übernatürliche Eigenschaften durchscheinen, doch der Ritter weiß diese wiederholt zu ignorieren (vgl. Abschnitt „Die unmögliche Liebe“).

Die harmonische Dreierfreundschaft

Huldbrand und Undine siedeln in die Reichsstadt über und treffen dort auf Bertalda. Mit ihr bringt Fouqué eine bürgerliche Alternative zur übersinnlichen Wasserfrau ins Spiel, die für Huldbrand zum Greifen nahe erscheint. Offenbar hat Bertalda inzwischen ernsthafte Gefühle für den jungen Ritter entwickelt und sich während seiner Abwesenheit große Sorgen um ihn gemacht.

Angesichts der schönen Undine an Huldbrands Seite zeigt Bertalda sich sogleich eifersüchtig. Über die unbekannte Rivalin weiß sie nicht viel, lediglich die Tatsache, dass man sie im Ort für eine Prinzessin hält. Die stolze Bertalda beschließt, sich zusammenzureißen und mit der Situation zu arrangieren. Bald schon entdecken die Frauen ihre Sympathie füreinander und freunden sich an (vgl. Charakterisierung „Undine und Bertalda“). Auch Huldbrand wird in das vertrauensvolle Bündnis mit einbezogen, sodass sich ein freundschaftliches Dreiergespann entwickelt: „Die beiden jungen Eheleute hatten Bertalden noch spät zu einem Spaziergange abgeholt, und alle drei zogen vertraulich unter dem tiefblauen Himmel auf und ab […].“ (S. 55).

Fouqué beschreibt hier ein friedliches Idyll (vgl. Kapitel „Epoche“, Abschnitt „Idylle“ sowie Textsorten „Idylle“). Die Harmonie zwischen Huldbrand, Bertalda und Undine wirkt nahezu kitschig und surreal. Die paradox anmutende ‚Freundschaft der Rivalinnen‘ folgt offenbar ihren eigenen Gesetzen und Begründungen (siehe dazu Charakterisierung „Undine und Bertalda“). Huldbrand scheint die „wundersame Beziehung“ (ebd.) der Frauen nicht zu erstaunen, bemerkenswerterweise bleiben seine üblichen Zweifel in diesem Fall aus.

Fast könnte man meinen, der Ritter führe nun zukünftig ein bequemes und problemloses Doppelverhältnis, um das ihn manch männlicher Leser beneiden wird. Doch die anfängliche Idylle ist nur die Ruhe vor dem Sturm, denn so pflegeleicht, wie angenommen, sind Huldbrands Frauen jedoch nicht.

Das Auf und Ab der Dreieckbeziehung

Die gefährdete Frauenfreundschaft

Die nun folgende Zeit der Dreieckbeziehung beschreibt Fouqué als Auf und Ab der Gefühle. Den ersten Rückschlag erlebt das Bündnis auf Bertaldas Namensfeier. Undine will ihre Freundin mit einem Familiengeheimnis überraschen und lädt deren leibliche Eltern (jenes Fischerehepaar, bei dem Undine aufgewachsen ist) zum Fest ein. Bertalda aber reagiert mit Ablehnung, denn die Fischer sind ihr nicht standesgemäß genug. Das Erlebnis beschädigt die Frauenfreundschaft. Bertalda entdeckt in Undine die Konkurrentin wieder, beschimpft sie als Hexe und Zauberin: „Es kam ihr vor, als habe ihre Nebenbuhlerin dies alles ersonnen, um sie nu...

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