Die Elementargeister
Eigenschaften
Ein wichtiges Vorbild für Fouqués »Undine« lieferte der Arzt und Naturphilosoph Paracelsus. Dessen 1566 erschienene Schrift »Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris, et de caeteris spiritibus« (= Buch über die Nymphen, Sylphen, Pygmäen, Salamander und die übrigen Geister) beschreibt und kategorisiert die Elementargeister. Dabei entwickelt der Autor bestimmte Gesetzmäßigkeiten dieser übernatürlichen Gattung. Ein Fokus liegt auf den Wasserfrauen, die Paracelsus als Undinen bezeichnet (vgl. Kapitel „Epoche, Abschnitt „Quellen – Paracelsus“).
Fouqué entnimmt dieser Quelle die wesentlichen Charaktereigenschaften seiner Protagonistin: Undine ist demnach ein übernatürliches Wesen mit menschlichem Erscheinungsbild: „[…] denn Menschen nennen wir uns auch, wie wir es denn der Bildung und dem Leibe nach sind.“ (S. 47). Als Elementargeist ist sie als ein Teil von Gottes Schöpfung „zu Gottes Preis und Freude geschaffen“ (S. 17), unterscheidet sich jedoch durch ihre Seelenlosigkeit von den Menschen: „Darum haben wir auch keine Seelen.“ (S 47).
Die Elementarwesen definieren sich durch ihren unterschiedlichen Lebensraum: „In den Flammen glitzern und spielen die wunderlichen Salamander, in der Erden tief hausen die dürren, tückischen Gnomen, durch die Wälder streifen die Waldleute, die der Luft angehören, und in den Seen und Strömen und Bächen lebt der Wassergeister ausgebreitetes Geschlecht.“ (S. 46). Undine selbst beschreibt ihre Heimat, die Unterwasserwelt, als märchenhaften Ort mit „goldnen Schlössern“ (S. 17), „Kristallgewölben“ und „hohe[n] Korallenbäume[n] mit blau und roten Früchten“ (S. 46).
Charakterlich ähneln die Wassergeister ihrem unberechenbaren Element: Erst aufbrausend und im nächsten Augenblick wieder ruhig und gleichmäßig. Undine beschreibt ihre Verbindung zum Wasser wie folgt: „[…] das Element bewegt uns, gehorcht uns oft, solange wir leben, zerstäubt uns immer, sobald wir sterben, und wir sind lustig, ohne uns irgend zu grämen, wie es die Nachtigallen und Goldfischlein und andre hübsche Kinder der Natur ja gleichfalls sind.“ (S. 47/48).
Elementar-Gesetze
Wie Paracelsus es in seiner naturphilosophischen Abhandlung beschreibt, strebt auch Fouqués Undine danach, eine menschliche Seele zu erlangen. Dieses Vorhaben ist an bestimmte Regeln geknüpft, die ebenfalls dem Quellentext entstammen. Fouqué spricht hier von „Elementar-Gesetzen“ (S. 91).
Nach dieser Norm muss die Wasserfrau einen Menschen ehelichen, um einer Seele teilhaftig zu werden. Ihr Gatte darf sie jedoch nicht in der Nähe des Wassers beschimpfen, anderenfalls kehrt die Nixe in ihr Reich zurück: „Aber [schimpfe] nie gegen mich, auf einem Wasser, oder wo wir auch nur einem Gewässer nahe sind. Siehe, dann bekämen die Verwandten ein Recht über mich.“ (S. 72). Auch darf sich der Ehemann nach der Trennung nicht wiederverheiraten, da seine Untreue mit dem Tode bestraft wird. Bei Fouqué muss Undine eigenhändig die Strafe vollziehen: „[…] müsst Ihr ihn ric...