Die Frauen
Die Frauen im „Prozess“ sind in erster Linie durch eine Helfer-Funktion für K. gekennzeichnet. Das bedeutet, dass die Frauen funktionalisiert werden und Kafka somit die Zweckorientierung des Gerichts schließlich auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen übertragen hat. K. versucht, durch die Instrumentalisierung in die Gerichtswelt einzudringen. Somit bestehen zwei geschlechtsspezifische Mittlergruppen: Auf der einen Seite befinden sich die Männer (Huld, Titorelli, Untersuchungsrichter, Gefängniskaplan), die K. zur Sphäre des Gerichts Zugang verschaffen könnten. Obendrein arbeiten die männlichen Charaktere auch mehr oder weniger direkt mit dem Gesetz zusammen. Auf der anderen Seite stehen die weiblichen Charaktere (Fräulein Bürstner, die Frau des Gerichtsdieners, Leni), die höchstens indirekt mit den Geschäften des Gerichts zu tun haben.
Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Rolle die Frauen im Zusammenhang mit dem Gericht spielen, muss noch auf eine augenfällige Besonderheit hingewiesen werden. Zwischen den Frauen, die vor dem Prozess in K.s Leben existieren (die Mutter), und den Frauen, die erst nach dem Prozess und in der Stadt auf K. treffen (alle anderen Frauenfiguren), bestehen große Unterschiede.
Vor dem Prozess
Auf dem Land sind die zwischenmenschlichen Beziehungen noch intakt. Seine Mutter hatte einen Mann, lebt jetzt bei ihrem Neffen und wird dort umsorgt. K.s Onkel lebt auf dem Land, ist verheiratet und hat eine Tochter. Als sein Onkel aktiv wird und K. Huld vorstellt, geht es ihm dann auch um einen traditionellen Wert, nämlich um den „guten Namen“ der Familie und ihre „Ehre“ (S.66). Im Gegensatz dazu sind die Frauenfiguren in der Stadt ledig und kinderlos. Hier stellt K. also eine traditionelle, patriarchalische Herrschaftsform einer durchstrukturierten, bürokratischen Welt gegenüber, in der die Menschen funktionalisiert werden. Auch an K. wird das deutlich. Er ist ledig, hat keine Kinder und offenbar keine Probleme mit seinem Leben als Junggeselle.
Neben den Figuren Fräulein Bürstner, der Frau des Gerichtsdieners und Leni existieren noch andere Frauenfiguren. Das sind zum einen Frau Grubach und K.s Mutter, die Mutterfiguren darstellen, und Elsa und Erna. Die Mutterfiguren treten nicht als erotisch anziehende Frauen auf und sie stehen zu K. in einer Art liebevollen Beziehung. Zu seiner Mutter hat K. offensichtlich keine enge Beziehung, er hat sie schon seit 3 Jahren nicht mehr besucht (S.185), aber dennoch scheint sie viel von ihrem Sohn zu halten. Sie hält ihn gar „trotz aller Widerrede für den Direktor der Bank“ (S.187).
Auch Frau Grubach ist K. wohlgesonnen. Das mag auch daran liegen, dass er ihr „eine größere Summe geliehen“ (S.25) hat und somit ihr „liebster Mieter sei“ (S.18). Auch die Vorfälle während der Verhaftung nimmt sie ihm nicht übel, sie betrachtet seine Verhaftung sogar als „etwas Gelehrtes“ (S.19), worin sich eine große Wertschätzung gegenüber K. ausdrückt.
Daneben kommen noch Elsa, K.s Geliebte und Erna, K.s Cousine, vor. Alle vier Figuren existieren in K.s Leben, schon bevor der Prozess beginnt. Und alle vier Figuren üben auf den weiteren Verlauf der Handlung de facto keinen Einfluss aus. Allerdings spiegeln die Beziehungen zu diesen Figuren wider, wie K. es vor dem Prozess vermochte, Frauen an sich zu binden: über die Ökonomie oder gar nicht. Gegenüber Frau Grubach sichert K. sich seine Stellung durch die Schulden („Sie ist […] von mir abh...