Merkmale der Novelle im Werk

Die Novelle der Romantik

Die Gattung der Novelle hat sich im Laufe der Literaturgeschichte immer wieder verändert und kann daher nur schwer durch bestimmte Strukturmerkmale gekennzeichnet werden. Einzig in der Länge war man sich durchgängig dahin gehend einig, dass es sich um einen Prosatext mittleren Umfangs (kürzer als ein Roman und länger als eine Kurzgeschichte) handeln soll (siehe dazu Textsorten „Novelle“).

In der Romantik erlebt die Novelle einen regelrechten Aufschwung. Autoren, wie Clemens Brentano, Ludwig Tieck, Joseph von Eichendorff und Achim von Arnim, widmen sich dieser Gattung. Auch E.T.A. Hoffmann gilt als bedeutender Novellenschreiber.

Die ursprüngliche Form der Novelle wird in der Romantik durch epochentypische Merkmale erweitert. Was Goethe zuvor als „unerhörte Begebenheit“ bezeichnete, wird nun ins Fantastisch-Märchenhafte überhöht. Die neuen Novellen setzen sich mit dem Bizarren, Traumhaften und Schauerlichen auseinander. Damit überschreiten sie die vorhergegangene Definition der Novelle, die trotz irrationaler und ungeheuerlicher Ereignisse immer glaubhaft und realistisch sein sollte.

Das Streben nach Gattungsvermischung in der Romantik wirkt sich auch auf das novellistische Erzählen aus. Besonders beliebt ist eine Kombination aus Novelle und Märchen. Dabei will man den Wirklichkeitsbezug der klassischen Novelle mit dem Fantastisch-Magischen des Märchens konfrontieren. Dieser Gegensatz soll zu einem besonderen Spannungsverhältnis führen.

Neben dem Märchenhaften fließen auch ironische Züge in die Novelle der Romantik ein. Darüber hinaus traten an die Stelle des objektiven Berichtstils szenische Darstellungen und sprachliche Emotionalität.

Nach Goethe haben auch die romantischen Schriftsteller Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck eine Novellentheorie entwickelt. Schlegel bezeichnete die Novelle als Anekdote - eine Geschichte also, die bis dahin noch niemand kannte und die deshalb von besonderem Interesse ist (siehe auch dazu Textsorten „Anekdote“). Tieck hob den Wendepunkt als maßgebliches Element dieser Gattung hervor. Daneben charakterisierte er die Novelle als „bizarr, eigensinnig, fantastisch, leicht witzig, geschwätzig und sich ganz in Darstellung auch von Nebensachen verlierend, tragisch wie komisch, tiefsinnig und neckisch […]“ (Ludwig Tieck: Schriften. 11. Band. Vorbericht zur dritten Lieferung).

Aufbau und Dramaturgie

Was die Dramaturgie und den Aufbau betrifft, so ist es diskussionswürdig, inwiefern »Der Sandmann« die Kriterien einer Novelle tatsächlich erfüllt. Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Romantiker formale Kriterien zum Aufbau literarischer Werke, wie sie etwa durch die Klassiker vorgeschlagen wurden, ablehnten. Vereinzelte Charakteristika der Novellendefinition lassen sich jedoch auch beim »Sandmann« nicht vollständig ausschließen.

Mit knapp 40 Seiten entspricht der Text zumindest der Länge nach diesem Modell und auch die Anzahl der Protagonisten ist begrenzt. Überdies ändern die Figuren ihr Verhalten und ihre Einstellung im Laufe der Erzählung nicht grundlegend. Nicht zuletzt ist die Handlung nach den Briefen chronologisch und aufeinander aufbauend erzählt.

Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnete Theodor Storm die Novelle als „Schwester des Dramas“ und machte somit ihren strengen Aufbau zum Kriterium. Demnach solle sich die Geschichte um einen zentralen Konflikt herum konzentrieren. Der Ablauf habe linear zu sein und auf Nebenhandlungen zu verzichten. Idealerweise zeichne sich die Novelle durch eine dramenähnliche Struktur mit Exposition, Spannungsaufbau, Höhe- und Wendepunkt, Spannungsabfall und Ausklang aus.

Eine derartige Dramaturgie lässt sich, zumindest oberflächlich betra...

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