Hoffmann und Freud
Parallelen zwischen Dichtung und Psychoanalyse
Gut 100 Jahre nach Veröffentlichung der »Nachtstücke« schreibt Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, einen Essay über »Das Unheimliche« (1919), in dem er sich auf Hoffmanns »Sandmann« bezieht. Der berühmte Psychologe untersucht darin die unbewussten Elemente der Erzählung und die Wirkung des Unheimlichen auf den Leser. Die über die psychoanalytische Perspektive hinausgehende Komplexität des Textes lässt Freud bewusst außer Acht.
Freud konzentriert sich in seinem Aufsatz über »Das Unheimliche« u.a. auf die psychologische Krankheitsgeschichte Nathanaels und deren Verbindungen zu Hoffmanns Biografie. Seinem Aufsatz liegt die Annahme zugrunde, dass Parallelen zwischen der Arbeit eines Dichters und der Arbeit eines Psychoanalytikers bestehen.
Der Schriftsteller erschaffe die Werke aus seinem eigenen Unbewussten heraus, während der Analytiker das Unbewusste seiner Patienten ergründe. Dichtungen ließen Rückschlüsse auf Träume, Fantasien und Assoziationen des Autors zu und seien demnach für psychoanalytische Untersuchungen besonders geeignet. In Bezug auf den »Sandmann« arbeitet Freud nicht nur die Ähnlichkeiten zwischen Hoffmann und Nathanael heraus, sondern er vergleicht auch die Entwicklung des Helden mit realen Krankheitsanalysen.
Das Unheimliche des Sandmanns
»Das Unheimliche« beschreibt Freud als ein Gefühl, das zunächst aus dem eigenen Bewusstsein verdrängt wird, bevor es durch ein zufälliges Ereignis ins Bewusstsein zurückkehrt. Die unbeabsichtigte Wiederholung ließe das sonst Harmlose zu etwas Unheimlichem we...