Vergleich: »Der goldne Topf«

Zwei typische Werke der Romantik

Beide Werke Hoffmanns sind symptomatisch für die Epoche der Romantik. Davon zeugen allein die mehrbändigen Zyklen, in deren Rahmen sie veröffentlicht wurden. Während »Der goldne Topf« in der äußerst populären Reihe »Fantasiestücke in Callot’s Manier« erschien, wurde »Der Sandmann« im ersten Band der weniger erfolgreichen »Nachtstücke« herausgebracht. Die Titel beider Sammlungen repräsentieren die typisch romantische Verbindung aus Literatur, Kunst und Musik, die sich auch in Hoffmanns Biografie widerspiegelt.

Sowohl im »goldnen Topf« als auch im »Sandmann« spielt die epochentypische Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und dem Unbewussten eine große Rolle. Hier wie dort ließ Hoffmann seine psychologischen Kenntnisse in das Werk einfließen und übertrug diese vornehmlich auf die männliche Hauptfigur. Beide männlichen Hauptprotagonisten weisen viele Gemeinsamkeiten auf und können als typische Romantiker bezeichnet werden (vgl. Abschnitt „Nathanael und Anselmus“).

Auch die Gegenüberstellung zweier Welten findet sich in beiden Erzählungen wieder und ist ein charakteristisches Merkmal romantischer Literatur. Sowohl Anselmus als auch Nathanael bewegen sich zwischen einer bürgerlich-alltäglichen und einer magisch-irrationalen Sphäre. Dabei werden das Wunderbare und das Reale kunstvoll miteinander verzahnt. Welche der beiden Seiten die Wahrheit repräsentiert, ist von der Perspektive der Figuren und nicht zuletzt von der Interpretation des Lesers abhängig. 

Nicht zuletzt weisen beide Werke Merkmale der Schwarzen Romantik auf. Dämonische Kräfte, seelische Abgründe, düstere Kulissen, Tod und Morbidität bilden wesentliche Bestandteile der Erzählungen. Mit dem Hexenritual im »goldnen Topf« und dem alchemistischen Experiment im »Sandmann« lassen sich hier zwei beispielhafte ‚Gruselszenen‘ herausgreifen, die sich sowohl im Aufbau als auch in der Sprache sehr ähneln: „Allerhand hässliche ausgestopfte Tiere hingen von der Decke herab, unbekanntes seltsames Geräte lag durcheinander auf dem Boden und in dem Kamin brannte ein blaues sparsames Feuer.“ (»Der goldne Topf«, S. 43) – „Coppelius trat hervor und eine blaue Flamme knisterte auf dem Herde empor. Allerlei seltsames Geräte stand umher.“ (»Der Sandmann«, S. 9).

Doch es lassen sich auch Unterschiede feststellen: So sind das romantische Motiv der Naturverbundenheit und das damit einhergehende triadische Geschichtsmodell sehr viel stärker im »goldnen Topf« vertreten. Damit bezieht sich das Werk vor allem auf die zeitgenössische Naturphilosophie. Der »Sandmann« hebt hingegen die psychologischen Aspekte deutlicher hervor. Auch ist die Abwägung zwischen aufgeklärter und romantischer Perspektive hier sehr viel präsenter.

Nathanael und Anselmus

Die Charakterisierung der jeweiligen Protagonisten weist eklatante Ähnlichkeiten auf. In beiden Fällen handelt es sich um einen jungen Studenten, der sich darüber hinaus als Poet betätigt. Anselmus und Nathanael sind zwei in sich zerrissene junge Männer, die zwischen märchenhafter Fantasiewelt und grauem Alltag hin- und herbewegen.

Überdies stehen sie jeweils zwischen zwei Frauen, von denen die eine die bürgerlich-rationale, die andere die magisch-fantastische Sphäre repräsentiert. Nathanael fühlt sich abwechselnd zu der vernünftigen Clara und zu der sonderbaren Olimpia hingezogen. Anselmus verliebt sich sowohl in die konservative Veronika als auch in die übernatürliche Serpe...

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