Augen
Zwei Bedeutungsebenen
Das Auge ist das herausragendste und vielschichtigste Motiv in Hoffmanns Erzählung. Es wird im mehrfachen Sinn des Lexems[1] verwendet und tritt an zahlreichen Stellen des Textes in Erscheinung. Das Leitmotiv des Auges ist in den folgenden Schlüsselszenen von zentraler Bedeutung:
- Märchen vom Sandmann
- Nathanaels Gedicht
- Erwerb des Perspektivs
- Nathanaels Liebe zu Olimpia
Es müssen zwei grundlegende Bedeutungsebenen des Auges unterschieden werden. Auf physischer Ebene ist das Auge ein wahrnehmendes Organ, das die visuellen Reize der Außenwelt aufnimmt und ins Innere (in das Gehirn) überträgt. Auf psychischer Ebene ist es genau umgekehrt: Die inneren (seelischen) Vorgänge werden durch das Auge nach außen vermittelt. Im Volksmund bezeichnet man die Augen daher auch als den ‚Spiegel der Seele‘.
In beiden Fällen dient das Auge als Vermittler zwischen Innen und Außen. Als Wahrnehmungsorgan bildet es eine wichtige Voraussetzung der Erkenntnis und des Verstehens. Als Ausdrucksorgan stiftet es soziale Beziehungen, indem es Emotionen, seelische Zustände und Charaktereigenschaften offenbart.
Hoffmann verwendet beide Bedeutungsebenen des Motivs. Auf der Wahrnehmungsebene nutzt der Autor das Auge vor allem als Sinnbild für Multiperspektivität. Dabei spielen Sinnestäuschungen, Einbildungskraft, geistiges Anschauungsvermögen und subjektive Wahrnehmungsmuster eine große Rolle. Auf der Ausdrucksebene werden das Verhältnis der Figuren zueinander problematisiert sowie die Anzeichen von Leben und Tod.
Seelenspiegel
Die Augen dienen in der Erzählung als wesentliches Kriterium der Charakterbeschreibung. Da diese überwiegend gegenseitig durch die Figuren erfolgt, sagt dies auch viel über ihren Blickwinkel aufeinander und ihr Verhältnis zueinander aus.
In seinen Briefen schwärmt Nathanael zunächst von Claras „hellen Augen“ (S. 3) und gibt diese später als Spiegel ihres Geistes zu erkennen: „In der Tat, man sollte gar ni...