Erste Vigilie
Exposition
Einführung in Ort und Zeit
In der ersten Vigilie verwendet Hoffmann einige Merkmale der klassischen Exposition. Er führt den Leser in die Geschichte ein, indem er einige wichtige Figuren präsentiert sowie Zeit und Ort des Geschehens benennt. Letztere offenbaren sich gleich im ersten Satz der Novelle: „Am Himmelfahrtstag, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junge Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor […].“ (S. 5).
Die alltagsnahen und realitätsbezogenen Zeit- und Ortsangaben machen deutlich, dass es sich nicht um ein klassisches Volksmärchen, sondern um „Ein Märchen aus der neuen Zeit“ handelt, wie es im Untertitel des Werkes heißt (vgl. Kapitel „Analyse“, Abschnitt „Ein Märchen aus der neuen Zeit“). Die Stadt Dresden als Schauplatz wird an späterer Stelle der ersten Vigilie noch einmal dann aufgegriffen, wenn der Autor die Umgebung der Elbe beschreibt (vgl. S. 7).
Einführung der Figuren
Der Leser lernt auch sogleich die Hauptfigur Anselmus kennen, die Hoffmann zunächst noch als „jungen Menschen“ beschreibt (vgl. S. 5). Dessen verträumter und tollpatschiger Charakter macht sich ebenfalls bereits bemerkbar. Auch wird deutlich, dass es sich um einen Studenten handelt, der nur wenig Geld hat (vgl. ebd.) und zuvor in Halle studierte (vgl. S. 7).
Ebenfalls wird die Figur des Äpfelweibes eingeführt, die Hoffmann als „alt und hässlich“ bezeichnet und deren garstiger und gieriger Charakter sogleich zum Vorschein kommt (vgl. S. 5). Aufgrund ihres geheimnisvollen Fluches haftet der Alten sogleich etwas Magisches an. Darüber hinaus tritt in der ersten Vigilie erstmalig die Figur der Serpentina auf, die Hoffmann als verführerische Schlangenfrau in das Geschehen einführt. Nicht zuletzt wird der Konrektor Paulmann als Anselmus‘ Freund und Gönner erwähnt (vgl. S. 8).
Dramaturgische Einführung
Ebenfalls typisch für die Exposition ist die dramaturgische Einordnung der Handlung. Über die gegenwärtige Zeitangabe (Himmelfahrtstag, nachmittags um drei Uhr) verweist Hoffmann in der ersten Vigilie sowohl auf Vergangenes als auch auf Zukünftiges.
Anselmus gräbt in einem inneren Monolog in seiner Vergangenheit, um eine Erklärung für all das Unglück zu finden, das ihm seit jeher begegnet ist (vgl. S. 7 ff.). Der Leser erfährt auf diese Weise, dass ähnliche Ereignisse, wie der Zusammenstoß mit dem Apfelkorb, dem Protagonisten bereits häufiger passiert sind. Hierin liegt der Grundstein für die Entwicklung des Helden verborgen.
Anselmus selbst glaubt im Übrigen (noch) nicht an eine Verbesserung seines Zustandes (vgl. S. 8). Mit dem Fluch des Äpfelweibes, der dem Studenten eine düstere Zukunft weissagt, gibt auch Hoffmann zunächst wenig Anlass zur Hoffnung (vgl. S. 5). Tatsächlich nimmt der Autor hier die kommenden Ereignisse der zehnten Vigilie vorweg, als Anselmus in eine Kristallflasche gesperrt wird (vgl. S. 82 ff.).
Überdies deutet Hoffmann mit der Vision unter dem Holunderbaum Anselmus‘ Reise nach Atlantis an (vgl. 12. Vigilie). Nicht zufällig beginnt die Novelle am Himmelfahrtstag. An diesem symbolischen Datum nähert sich der Protagonist erstmalig der reinen Liebe sowie der Sprache der Natur (vgl. S. 10/11). Auch diese sind wichtige Voraussetzungen für seine spätere Entwicklung.
1. Abschnitt: Der Fluch des Äpfelweibs
Die erste Vigilie lässt sich in drei Abschnitte unterteilen: 1. Die Begegnung mit dem Äpfelweib und Anselmus‘ Flucht (S. 5, Z. 1 bis S. 7 Z. 13), 2. Anselmus‘ innerer Monolog (S. 7, Z. 13 bis S. 9, Z. 14), 3. Die Vision unter dem Holunderbaum (S. 9, Z. 14 bis S. 11, Z. 27). Diese Dreiteilung spiegelt sich auch im Titel der Vigilie...