Anselmus und die Frauen: Das Liebesdreieck
Zwischen zwei Welten
Hoffmann beschreibt in seiner Novelle die Entwicklung des Studenten Anselmus, der als typisch romantischer Charakter gilt (siehe dazu Abschnitt „Anselmus als Außenseiter“). Als solcher ist er nicht nur von der Sehnsucht nach einer besseren Welt, sondern auch nach einer erfüllten Liebesbeziehung getrieben. Liebe ist für die Romantiker ein wesentlicher Antriebsmotor der Poesie sowie ein Mittel zu Erlangung des höheren Selbst.
Die Romantiker empfanden ihre Gegenwart als Zwiespalt zwischen Emotionalität und Rationalität. Letztere wurde durch die parallel verlaufende Bewegung der Aufklärung vertreten. Diese Zerrissenheit überträgt Hoffmann auf seine Hauptfigur. So fühlt sich Anselmus zwischen der vernunftgeleiteten Veronika und der sensiblen emotionalen Serpentina hin- und hergerissen.
Beide Frauen stammen aus unterschiedlichen Welten, deren Gegenüberstellung und Verflechtung zentrales Merkmale des …
...
Weibliche Sexualität und Verführungskunst
Mittel der Verführung
Obwohl Anselmus nicht gerade als typischer Frauenheld gilt, sind mit Veronika und Serpentina gleich zwei Frauen an ihm interessiert. Beide versuchen, auf ihre Art den Studenten zu verführen. Veronika probiert dies zunächst mit ihrer attraktiven und charmanten Erscheinung sowie ihrer lieblichen Gesangsstimme. Um sicherzugehen, greift sie anschließend sogar zum Mittel der schwarzen Magie, obwohl diese im rationalen Bürgertum verachtet wird.
Auch Serpentina wendet Verführungskünste an. Sie hängt sich gemeinsam mit ihren beiden Schwestern in einen Holunderbaum, unter welchem sich Anselmus niedergelassen hat. Dort gibt sie sanfte und geheimnisvolle Töne von sich, die den Studenten in eine träumerische Atmosphäre versetzen. Anselmus fühlt sich vor allem von Serpentina Stimme angezogen, die dem Klang von Kristallglöckchen ähnelt. Nicht zuletzt bringt ihn ein Blick in ihre tiefblauen Augen um den Ve…
...
Erotik und Sinnlichkeit
Einige psychologische Interpretationen bei Hoffmann lassen eine Spaltung in eine bedrohliche körperliche und eine positiv besetzte geistige Sexualität erkennen. Erstere wird nach dieser Deutung von der bürgerlichen Veronika vertreten, Letztere von der übersinnlichen Serpentina.
Als Angehörige der realen, materiellen Welt berührt Veronika ihren Anselmus in gewissermaßen fleischlichem Sinne. Entsprechend sind die körperlichen Annäherungen zwischen den beiden zu deuten: „Veronika schlich leise hinter ihn, legte die Hand auf seinen Arm und schaute sich fest an ihn schmiegend ihm über die Schulter […] Ein dumpfes Ach! Entfloh ihren Lippen, die in dem Augenblick auf den seinigen brannten.“ (S. 74/75).
Interessanterweise wirken Serpentinas körperliche Annäherungsversuche weitaus erotischer. So spricht Hoffmann von einem „Hauch ihrer Lippen“ und von „elektrischer Wärme“ (vgl. …