Historische Verweise im Werk

Hans-Ulrich Treichels Novelle Der Verlorene greift somit am Beispiel eines realen Einzelschicksals autobiografisch das Thema der zahllosen Findelkinder im 2. Weltkrieg wieder auf. Außerdem kommen in der Erzählung andeutungsweise noch einige weitere historische Themen zur Sprache, wie zum Beispiel Flucht und Vertreibung, Fremdenhass sowie Holocaust.

Erinnerung an dem Holocaust

In der Novelle Der Verlorene ist der Verlust Arnolds während der elterlichen Flucht aus dem Osten eine direkte Folge der nationalsozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkriegs. Treichels Erzählung widmet sich den historischen und politischen Tatsachen der damaligen Zeit jedoch nur indirekt. Dabei lassen einige wenige Szenen und/oder Äußerungen der Figuren Bezüge zu historischen Fakten erkennen. Der Autor selbst distanziert sich aufgrund seiner oft ironisch gefärbten Erzählweise und mit seiner zum Teil makaber anmutenden Wortwahl von den Verbrechen der Vergangenheit (siehe Kapitel Analyse: Sprache).

Als die Familie des Erzählers für einige Tage ins gerichtsanthropologische Labor nach Heidelberg fährt, um sich von Professor Liebstedt für die Erstellung des erbbiologischen Gutachtens untersuchen und vermessen zu lassen (S. 87ff), geht sie in der Mittagspause in die Kantine des Labors. Dort setzen sich die Eltern mit ihrem Sohn zu einem Leichenwagenfahrer an den Tisch, der gerade sein Mittagessen beendet hat (S. 97). 

Daraufhin beginnt der redselige Mann ungefragt, der kleinen Familie von seiner Arbeit im Krematorium zu berichten. Die wiederholt gebrauchten und aufgrund der Judenvernichtung sehr negativ besetzten Begriffe, welcher der Leichenwagenfahrer dabei verwendet, erinnern an die schrecklichen Verbrechen des Holocausts während des Dritten Reiches: „Das Besondere an dem neuen Krematorium sei die Leistungsfähigkeit der Öfen, sagte er. Mit den Öfen stehe und falle alles. Taugten die Öfen nichts, tauge das ganze Krematorium nichts. Die neuen Öfen seien allerdings phantastisch, …“ (S. 106).

Die Glorifizierung der Verbrennungsöfen als technische Meisterleistung erscheint vor dem Hintergrund des Holocausts respektlos und das Adjektiv „phantastisch“ wirkt durch seine übertrieben positive Begrifflichkeit in diesem Zusammenhang vollkommen unpassend. Zudem lässt die detaillierte Beschreibung menschlicher Überreste den Leser an überlieferte Bilder aus Kon...

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