Die Mutter

Die schreckliche Flucht 

Die Mutter des Ich-Erzählers und des verlorenen Arnold ist eine der fünf handelnden Hauptfiguren in Hans-Ulrich Treichels Novelle Der Verlorene. In der Geschichte werden weder der Vorname noch der Nachname der Mutter genannt. Der Ich-Erzähler, welcher der Jüngere ihrer beiden Söhne ist, schildert die Mutter aus seiner ganz persönlichen subjektiven Sichtweise: Ihr Alter nennt er dabei nicht, zum Zeitpunkt der Haupthandlung, die mit der Volljährigkeit des Erstgeborenen Arnold endet (S. 166), ist die Mutter vermutlich Anfang vierzig. 

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Mutter zusammen mit dem Vater in Racowiec, Kreis Gostynin, einer deutschen Siedlung in Pommern (im heutigen Polen) gelebt (S. 109). Dort wurde auch ihr erster Sohn Arnold geboren (S. 7). Als die russische Armee in die deutschen Ostgebiete vorrückt und mit der Vertreibung der dort lebenden Einwohner beginnt, flieht die kleine Familie im Januar 1945 mit einem Flüchtlingstreck an einen nicht genannten Ort in Ostwestfalen (S. 14f., 45).

Während der Flucht wird der Vater von einem russischen Soldaten mit einem Gewehr bedroht, sodass die Mutter ihren kleinen Sohn in Todesangst „einer neben ihr hergehenden Frau“ (S. 15) in die Arme legt. Da dies sehr schnell und in Panik geschieht, hat die Mutter keine Zeit, mit der Fremden zu sprechen oder ihr Arnolds Namen mitzuteilen. Daher gibt es nach dem Krieg nur wenige Anhaltspunkte, um den verlorenen Sohn zu finden, und die Eltern beauftragen daher den Suchdienst des Roten Kreuzes mit dieser Aufgabe (S. 50). 

Mehrere Äußerungen im Text sprechen dafür, dass die Mutter während der Flucht aus ihrer Heimat von russischen Soldaten vergewaltigt wurde: „Wohl sei ihr etwas Schreckliches zugefügt worden von den Russen, aber die Russen hätten es gar nicht auf ihr Leben oder das ihrer Familie abgesehen gehabt. Die Russen hätten es immer nur auf eines abgesehen gehabt.“ (S. 16); „[...] und dem Schrecklichen, was die Russen ihnen und speziell der Mutter angetan hatten, [...]“ (S. 20); „Das erste, worauf die Russen sich gestürzt hätten, sagte der Vater, seien junge Frauen gewesen. [...] Höchstwahrscheinlich hatten sich die Russen auch auf die Mutter gestürzt, [...]“ (S. 54). 

Die belastenden Schuldgefühle 

In den Jahren nach der Flucht leidet die Mutter darunter, die bedrohliche Situation nicht richtig eingeschätzt und sich womöglich überstürzt von Arnold getrennt zu haben: „Aber sie habe voreilig Angst um ihr eigenes Leben und das Leben ihres Kindes gehabt, und in Wahrheit habe sie auch voreilig das Kind weggegeben. Nicht einmal A...

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