Erwachsenwerden

Das Ende der Kindheit

Nachdem der 17-jährige Franz sich in Wien zum ersten Mal verliebt und mit der schönen Böhmin Anezka geschlafen hat (siehe dazu Abschnitt „Liebe und Sexualität“), reflektiert er seine Situation in einem langen Brief an seine Mutter. Der Jugendliche spürt, dass er sich innerhalb weniger Monate stark verändert hat: „Manchmal wünsche ich mich selbst an den See zurück. Natürlich weiß ich, dass das nicht mehr so einfach geht. Ich habe schon zu viel gesehen und gerochen und geschmeckt.“ (S. 164). Er fühlt, dass seine Kindheit hinter ihm liegt, aber es fehlt ihm noch an Erfahrungen, um erwachsen zu werden: „Bis vor Kurzem war ich ja noch ein Kind. Und jetzt bin ich noch kein Mann.“ (S. 162).

Außerdem erzählt Franz seiner Mutter von dem älteren Psychoanalytiker Sigmund Freud, zu dem er eine enge Verbindung aufgebaut hat und die er selbstbewusst gegenüber möglichen Vorurteilen verteidigt: „Der Professor und ich sind inzwischen Freunde. (…) Obwohl wir beide ja fast ständig arbeiten, verbringen wir möglichst viel Zeit miteinander. (…) Ich frage ihn dies und das. Und er fragt mich dieses und jenes. Zwar wissen wir beide oft keine Antworten, aber das ist egal. Unter Freunden darf man auch einmal nichts wissen. Der Altersunterschied macht uns übrigens nichts aus. Da können die Leute schauen und sich das Maul zerreißen, wie sie wollen – uns ist das egal.“ (S. 163).

Als Franz zum ersten Mal einen ausführlichen Brief von seiner Mutter erhält, bemerkt er sogleich die veränderte Grußformel: „Franz betastete mit den Fingerspitzen das fein geriffelte Briefpapier.(…) Deine Mutter hatte sie geschrieben, und nicht Deine Mama, wie auf den Ansichtskarten oder wie früher immer, wenn sie auf dem Küchentisch eine hingekritzelte Nachricht hinterlassen hatte.“ (S. 172) Der Jugendliche betrachtet die Schreibweise seiner Mutter als untrügliches Zeichen seiner Adoleszenz: „Kinder haben Mamas, Männer haben Mütter.“ (ebd.).

Für seine Mutter übernimmt der gereifte Jugendliche Verantwortung, denn er möchte nicht, dass sie sich zu viele Sorgen um ihn macht. Außerdem geht es ihr selbst auch nicht so gut, denn sie muss den unvorhergesehenen Tod ihres Liebhabers Alois Preininger verarbeiten (S. 9). Franz verschweigt deshalb seiner Mutter Ottos Verhaftung durch die Gestapo und behauptet, sein Chef sei krank geworden: „Nicht schlimm, aber immerhin. Die Leber vielleicht, oder die Nieren, oder irgendeine andere Innerei. Wen...

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