Die alte Frau
Die mysteriöse Einsiedlerin
Die namenlose alte Frau wird zu Beginn aus der Perspektive Berthas beschrieben, als diese ihre Kindheits- und Jugendgeschichte erzählt. Bertha begegnet der Alten, als sie achtjährig aus dem Haus der Eltern flieht und nach mehrtägiger Wanderung in einem idyllischen Tal landet. In ihrer rückblickenden Erzählung betont Bertha das merkwürdige und beängstigende Erscheinungsbild der alten Frau: „Sie war fast ganz schwarz gekleidet und eine schwarze Kappe bedeckte ihren Kopf und einen großen Teil des Gesichtes, in der Hand hielt sie einen Krückenstock“ (S. 8). Trotz ihres fortgeschrittenen Alters und augenscheinlicher gesundheitlicher Gebrechen – sie hat einen Krückstock, „knöcherne[…] Hände“, außerdem hustet (vgl. S. 8, 10, 11) und keucht (vgl. S. 10) sie des Öfteren – ist ihr Gang zu Berthas Überraschung „ziemlich behende“ (S. 9). Das Gesicht der alten Frau verzieht sich fortwährend zu einer merkwürdigen Grimasse (vgl. ebd.) und scheint auch sonst „in einer ewigen Bewegung“ zu sein, weshalb Bertha nicht genau zu erkennen vermag, „wie ihr eigentliches Aussehen beschaffen“ (S. 10) ist.
Ebenso wie das optische Erscheinungsbild der Alten verweist auch die Waldeinsamkeit, in welcher sie lebt, auf die Märchenhaftigkeit der Figur. Ihre Gesichtszüge – Spiegelbild der Seele eines Menschen – ändern sich ständig, weshalb ihr schon zu Beginn keine klar abgrenzbare Identität zugeschrieben werden kann. Zugleich verweist ihre abgeschiedene und gleichsam der Zeit enthobene Lebensweise in enger Verbundenheit mit der Natur auf ihre Verwurzelung in der Welt des Märchenhaft-Wunderbaren. Die Nähe der Alten zum Übersinnlich-Metaphysischen wird in ihrer Religiosität sichtbar. Sie singt nicht nur „geistliche[ ] Lied[er]“ (S. 9), sondern betet auch des Öfteren (vgl. S. 10, 11).
Das Märchenhafte der Figur wird durch ihre beiden Haustiere noch verstärkt, durch den Vitalität und Lebensfreude verkörpernden Hund Strohmian und vor allem durch ihren wunderschönen Vogel, der „an jedem Tage ein Ei [legt], in dem sich eine Perl oder ein Edelstein [befindet]“ (S. 12). Entsprechend greift auch Bertha zur Beschreibung der Alten und ihres Lebe...