Die Liebesgeschichte

Die ungewöhnliche Liebe

Die Liebesbeziehung zwischen der bürgerlichen Gabriele Dubois und dem jungen Grafen Hippolyt von Dürande steht neben den Revolutionsereignissen im Zentrum der Handlung. Die Zuneigung der beiden Protagonisten muss sich im Laufe der Geschichte gegen vielerlei Widrigkeiten behaupten. Problematisch sind etwa der Standesunterschied und die dran anknüpfenden Vorurteile und Interventionen durch Gabrieles Bruder Renald. Ebenso tragen die Versteckspiele bzw. Maskeraden der Liebenden zu Missverständnissen und Verwirrungen bei. Nicht zuletzt dauert es, bis Hippolyt seine wahren Gefühle für Gabriele erkennt. 

Die hindernisreiche Entwicklung der Beziehung kann aus Eichendorffs poetologischer und politischer Haltung heraus interpretiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gabriele als Gestalt der ‚wahren‘ Dichtung auftritt und Hippolyt den ‚wahren‘ Dichter repräsentiert (vgl. Abschnitt „Die Rolle der Dichtung“). Ferner kann das unglückliche Ende des Liebespaares als Revolutionskritik verstanden werden.

Bezug zur Poesie

Eichendorff plädierte für eine größere Nähe des Adels zum Volk. Gleichwohl wollte er die Standesgrenzen nicht aufheben. Eine Ehe zwischen einem Grafen und einer Förstertochter hätte der konservative Dichter in der Realität nicht gelten lassen. Auf poetologischer Deutungsebene ist die unstandesgemäße Verbindung zwischen Hippolyt und Gabriele jedoch umso nachvollziehbarer. 

Der ‚wahre‘ Dichter (hier in Gestalt Hippolyts) solle sich, laut Eichendorff, zur volkstümlichen Dichtung (hier in Gestalt Gabrieles) bekennen, und zwar gerade dann, wenn er von Adel ist (Eichendorff selbst war ja ebenfalls Adliger). Nicht zuletzt sei es die Aufgabe der Dichtung, sich über die Beschränkungen und Konventionen der literarischen Gestaltung hinwegzusetzen. Also ist auch hier die ‚Liebe jenseits von Standesgrenzen‘ im poetologischen Sinne zu verstehen. Im literarischen Bezug sind die Hindernisse der Liebesgeschichte mit den modernen und aufgeklärten Tendenzen in der Dichtung zu vergleichen, gegen die sich eine fromme, naturnahe und volkstümliche Poesie zu behaupten hat (vgl. Abschnitt „Die Rolle der Dichtung“). 

Revolutionskritik und Utopie

Beim Blick auf das tragische Ende des Liebespaares ist zweierlei anzumerken:

 (1) In einer Gesellschaft, die von der Revolution geprägt ist, hat die ‚wahre‘ Liebe nur um den Preis des Todes Bestand. Gewalt, Anmaßung und Raserei – manifestiert im Verhalten Renalds – sind schließlich für das Scheitern der Liebe verantwortlich. Im Tod von Hippolyt und Gabriele offenbart sich die ganze Sinnlosigkeit der Revolution (siehe dazu Abschnitt „Eichendorffs politische Botschaft“). 

(2) Die ‚wahre‘ Liebe triumphiert über das irdische Leben hinaus. Indem sich das Paar im Angesicht des Todes vermählt, wird sogar der Standesunterschied sanktioniert. Die Liebenden gehen zudem eine beständige Verbindung vor Gott ein: „[…] da nimm den Ring und meine Hand auf ewig, und so verlass‘ mich Gott, wenn ich je von dir lasse!“ (S. 42). 

Dass die ungewöhnliche Liebesbeziehung posthum Bestand haben soll, zeigt Eichendorff an vielen Stellen. Gabriele etwa bemerkt: „‘[…] nun ist ja alles, alles wieder gut.‘“ (S. 42), und als beide ste...

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