Doris‘ Zeitbild

Zahlreiche reale Angaben und Verweisen lassen Irmgards Keuns Roman Das kunstseidene Mädchen als ein Zeitdokument erscheinen. Konkrete Hinweise auf Berliner Orte und Plätze, die Einbeziehung von konkreten politischen Persönlichkeiten und Geschehnissen oder die Namengebung von Personen aus der Filmwelt, von Filmtiteln, Liedern, modischen Tendenzen lassen ein dichtes Bild der Weimarer Republik am Anfang der 1930er Jahre entstehen.

Nicht nur die verzweifelte Suche der Menschen nach Arbeit und das damalige Elend werden in der Erzählung in vielen Facetten aufgenommen, sondern auch die antisemitistischen Tendenzen sowie die Gewaltbereitschaft nationalsozialistischer Gruppen. Auch kritisiert Doris das hierarchische Theatermilieu und das elitäre und geschlossene Milieu der Intellektuellen.

Arbeitslosigkeit und soziale Probleme

Zu Beginn der 1930er Jahre, als die junge Protagonistin des Romans Das kunstseidene Mädchen ihre rheinische Heimat verlässt und für einige Monate in Berlin lebt, herrscht in Deutschland aufgrund der Weltwirtschaftskrise eine hohe Arbeitslosigkeit unter der Bevölkerung. Viele Menschen leben in Armut und/oder befürchten, ihre Arbeit zu verlieren. Die Ich-Erzählerin Doris ist sich der wirtschaftlichen Lage durchaus bewusst, „Die Zeiten sind furchtbar, keiner hat Geld, …“ (S. 16).

Zudem wird die vorherrschende Arbeitslosigkeit an mehreren Stellen des Romans thematisiert: „Ich habe gesehen – ein Mann mit einem Plakat um den Hals: Ich nehme jede Arbeit – und jede dreimal rot unterstrichen…“ (S. 60). Über ihren Chef in der Rechtsanwaltskanzlei äußert die Protagonistin Doris: „…und der Alte hat´s auch nicht mehr dick und kann einen jeden Tag entlassen.“ (S. 3). Auch ihr Bekannter, der Journalist Lippi Wiesel, verweist auf die schwierige wirtschaftliche Lage: „…die Zeiten sind so miserabel (…) überall wollnse abbaun, mein letztes Honorar hab ich auch noch nicht…“ (S. 82). Einige Romanfiguren sind auch selbst arbeitslos, wie z.B. Doris´ Stiefvater (S. 5), Margaretes Partner (S. 44). Doris‘ Vetter Paul (S. 55), der Hausierer Karl (S. 87) und Tilli Scherers Ehemann Albert (S. 76).

In Das kunstseidene Mädchen finden sich zahlreiche Hinweise auf die Konsequenzen der wirtschaftlichen Not unter der Bevölkerung, wie zum Beispiel Diebstähle (S. 88), Schwarzmarktgeschäfte (S. 87), zunehmende Prostitution (S. 52, 86, 90, 104), Alkoholismus (S. 26, 78, 88) und Hunger „verhungerte Stimmen“ (S. 104).

Theatermilieu und Intellektuelle

Während ihre...

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