Das kunstseidene Mädchen als Tagebuch
Die undatierten Eintragungen im Heft
Irmgard Keuns Roman wird auch häufig als Tagebuch definiert. Gleich zu Beginn der Geschichte berichtet die Hauptfigur Doris aus der Ich-Perspektive, dass sie sich „ein schwarzes, dickes Heft gekauft“ (S. 5). Hier sammelt sie die täglichen oder regelmäßigen Eintragungen ihrer individuellen Erlebnisse und Gedanken. Ihnen fehlt die sonst typische Datierung der einzelenen Abschnitte des Geschehens.
Anders als beim herkömmlichen Tagebuch sollen Doris´ Notizen ihr nicht in erster Linie zur Gedächtnisstütze bzw. Reflexion der eigenen Persönlichkeit dienen, stattdessen sind die Eintragungen an einen fiktiven Leser gerichtet. Dies belegen verschiedene Hinweise und Erklärungen der Schreiberin: „Und alles kam so:“ (S. 13); „Heute Abend werde ich alles der Reihe nach in mein Buch schreiben, denn es hat sich soviel aufgelagert in mir.“ (S. 40); „Morgen schreibe ich mehr.“ (S. 5).
Doris verschweigt oder verhüllt in ihren Eintragungen intime Details ihrer Sexualität. Sie verwendet ...