Deutschland am Anfang der 1930er Jahre

Die Handlung von Irmgard Keuns Zeitroman Das kunstseidene Mädchen erstreckt sich auf ungefähr ein Halbjahr, und zwar vom Spätsommer 1932 bis zum Frühling 1932 in der Spätphase der Weimarer Republik. Diese Periode nach dem Börsenkrach von 1929 ist durch die politische Instabilität, die Kämpfe zwischen radikalen Parteien und Gruppierungen, die Massenarbeitslosigkeit, das Erstarken des Nationalsozialismus und die Vorbereitungen für die Machtergreifung durch die NSDAP gekennzeichnet. Diese verschiedenen Elemente sind auch in der Erzählung zu finden, zum Beispiel nennt Doris die „Notverordnung“ (S. 103). 

Armut und Arbeitslosigkeit

Während der 1930er Jahre herrschen unter dem Großteil der Bevölkerung eine hohe Arbeitslosigkeit und eine daraus resultierende wirtschaftliche Not. Auslöser hierfür ist die Weltwirtschaftskrise, eine Folge des New Yorker Börsenkraches (Black Thursday) vom 29. Oktober 1929. Weil die Nachfrage nach Wertpapieren über mehrere Wochen stark zurückgegangen ist, sinken die Aktienkurse. Es erfolgt ein drastischer Kurseinbruch, denn sämtliche Investoren versuchen gleichzeitig, ihre Aktien zu verkaufen. Schließlich kommt es zum totalen Zusammenbruch der New Yorker Börse, der sich in Europa aufgrund der Zeitverschiebung erst einen Tag später, am sogenannten Black Friday, auswirkt und für die größte Weltwirtschaftskrise in der modernen Zeit verantwortlich ist.

Die Krise hat einen starken Rückgang des Welthandels und der Produktion von industriellen Gütern zur Folge. In Das kunstseidene Mädchen finden sich Hinweise auf die Konsequenzen der wirtschaftlichen Not unter der Bevölkerung, wie zum Beispiel Diebstähle (S. 88), Schwarzmarktgeschäfte (S. 87), zunehmende Prostitution (S. 52, 86, 90) und Alkoholismus (S. 26, 78, 88).

Zwischen 1929 und 1932 steigen die Arbeitslosenzahlen in Deutschland infolge der Weltwirtschaftskrise dramatisch von 1,9 auf 5,58 Millionen an. Die vorherrschende Arbeitslosigkeit wird im Roman thematisiert: „Ich habe gesehen – ein Mann mit einem Plakat um den...

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