Verfilmung im Vergleich zum Roman

Ähnlich wie in der Romanvorlage, lässt auch die Machart des Films eine Konstruiertheit erkennen, die Kehlmanns ‚gebrochenem Realismus‘ Rechnung zu tragen versucht: So kontrastieren die Lebenswelten von Humboldt und Gauß vor allen Dingen durch ihr Farbenspiel. Der exotische Urwald wird stets bunt und schillernd in Szene gesetzt, während Gauß‘ Heimatstadt aus dunklen, tristen, heruntergekommenen Hinterhöfen besteht. Diese Welten verschmelzen jedoch visuell auch immer wieder durch Überblendungen, wenn Humboldt und Gauß beispielsweise durch einen Kameraschwenk denselben Sternenhimmel teilen oder wenn der Orinoko, auf dem Humboldt und Bonpland schippern, nach einer  180-Grad-Drehung der spiegelsymmetrisch auftauchenden Landstraße weicht, auf der Gauß per Kutsche nach Königsberg reist. Dazu passt auch die Musik vorzüglich: Sie ist orchestral und lässt daher deutlich ans 19. Jahrhundert denken, ihre Melodieverläufe jedoch klingen modern und legen sich als zusätzliche Interpretation über die jeweiligen Szenen.

Entsprechend versucht die Verfilmung, auch in ihrer Symbolhaftigkeit den Roman zu imitieren. Wiederholt taucht ein Apfel auf, der mit einem Messer bearbeitet wird, und spiegelt den Einfluss wider, den seine jeweiligen Halter auf die Welt haben: Während der Mathematiklehrer Büttner, der wissenschaftlich lediglich an der Oberfläche kratzen kann, seinen Apfel bloß schält, zerteilt Johanna ihren Apfel bei der ersten Begegnung mit Gauß in Dreiecksstücke; ihre Sicht der Dinge geht bereits tiefer. Doch erst Gauß geht wirklich ins Detail, indem er aus Johannas Stückchen noch einmal das kleinstmögliche Dreieck herausschneidet. Dasselbe Einschneiden macht auch vor den Körpern der Protagonisten nicht Halt: Während Humboldt sich von Bonpland den Rücken zerschneiden lässt, um den Fluss elektris...

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